Das Erbe der Azteken
ungemütlich.«
»Jedes Gefängnis ist ungemütlich. Aber alles ist relativ.«
Als es sich bis auf zehn Meter genähert hatte, drehte das Kanonenboot bei und legte sich, Bug an Heck, parallel neben sie. Sam erkannte jetzt, dass sie es mit einem modernisierten chinesischen Patrouillenboot der Yulin-Klasse aus den 1960ern zu tun hatten. Sie trafen auf ihren Reisen immer wieder auf Schiffe der Yulin-Klasse, und Sam, stets voller Interesse, hatte seine Hausaufgaben gemacht: vierzig Fuß lang, zehn Tonnen; Dreiwellen-Getriebe, zwei Dieselmotoren mit 600 PS Leistung und ein Paar 12,7-Millimeter-Zwillingsgeschütze am Bug und achtern.
Zwei Mannschaftsmitglieder in Dschungeltarnkleidung standen auf dem Achterdeck und zwei weitere auf dem Vorschiff. Alle hatten Kalaschnikows über den Schultern. Ein hochgewachsener Schwarzer in strahlend weißer Uniform, offensichtlich der Kapitän, trat aus der Kabine und kam zur Reling.
»Ahoi«, rief er. Anders als bei Sams und Remis früheren Begegnungen mit der Küstenwache machte dieser Kapitän ein grimmiges Gesicht. Es gab kein Lächeln und keine freundliche Begrüßung.
»Ahoi«, erwiderte Sam.
»Routinemäßige Sicherheitsüberprüfung. Wir kommen jetzt zu Ihnen an Bord.«
»Niemand hindert Sie daran.«
Die Maschinen des Kanonenboots orgelten dumpf, während sich das Yulin-Boot näher heranschob, bis sein Bug nur noch drei Meter entfernt war. Die Maschinen gingen blubbernd in den Leerlauf, und das Yulin-Boot trieb noch ein kleines Stück weiter und stoppte dann. Die Matrosen auf dem Achterdeck warfen Fender aus alten Autoreifen über die Reling, dann bückten sie sich, packten die Reling der Andreyale-Yacht und zogen die Boote aufeinander zu. Der Kapitän machte einen Satz über die Reling und landete mit katzenhafter Geschmeidigkeit neben Sam und Remi auf dem Achterdeck.
»Sie haben die Tauchflagge gehisst, wie ich sehe«, sagte er.
»Wir Schnorcheln hier ein wenig herum«, klärte Sam ihn auf.
»Ist das Ihr Boot?«
»Nein, gemietet.«
»Ihre Papiere, bitte.«
»Für das Boot?«
»Und die Tauchgenehmigungen.«
Remi sagte: »Ich hole alles«, und trottete dann über die Treppe in die Kajüte hinunter.
Der Kapitän wandte sich an Sam. »Aus welchem Grund sind Sie hier?«
»Auf Sansibar oder jetzt an diesem Ort.«
»Beides, Sir.«
»Wir machen Urlaub. Uns hat es an dieser Stelle besonders gefallen. Wir waren schon gestern hier.«
Remi erschien mit den Dokumenten und reichte sie dem Kapitän, der zuerst den Mietvertrag inspizierte und danach ihre Tauchgenehmigung. Er blickte hoch und studierte ihre Gesichter. »Sie sind Sam und Remi Fargo.«
Sam nickte.
»Die Schatzsucher.«
Remi zuckte die Achseln. »Offenbar gibt es keine bessere Bezeichnung dafür.«
»Suchen Sie auf Sansibar nach irgendwelchen Schätzen?«
Sam lächelte. »Wir sind zwar nicht deswegen hergekommen, aber wir versuchen schon, die Augen immer offen zu halten.« Als er über die Schulter des Kapitäns hinwegblickte, konnte Sam hinter den getönten Kabinenfenstern des Yulin-Bootes eine schattenhafte Gestalt erkennen. Aufmerksam schien sie zu ihnen herüberzuschauen.
»Haben Ihre Augen schon irgendetwas entdeckt?«
»Eine Münze.«
»Sind Sie sich darüber im Klaren, was die tansanischen Gesetze in einem solchen Fall vorschreiben?«
Remi nickte. »Das sind wir.«
Auf dem Yulin-Boot wurde einmal gegen das Fenster geklopft.
Der Kapitän sah über die Schulter und sagte zu Sam und Remi: »Warten Sie hier«, dann kletterte er über die Reling und verschwand in der Kabine seines Schiffes. Eine Minute später erschien er wieder und kam abermals an Bord.
»Diese Münze, die Sie gefunden haben – beschreiben Sie sie.«
Ohne zu zögern, erwiderte Remi: »Rund, Kupfer, etwa so groß wie eine Fünfzig-Shilling-Münze. Sie ist ziemlich ramponiert. Bislang haben wir uns keinen Reim darauf machen können.«
»Haben Sie die Münze bei sich?«
»Nein«, sagte Sam.
»Und Sie behaupten, dass Sie nicht nach irgendwelchen Schiffswracks oder einem ganz besonders wertvollen Gegenstand suchen?«
»Das ist richtig.«
»Wo wohnen Sie auf Sansibar?«
Sam sah keinen Sinn darin zu lügen. Sie würden die Antworten sowieso genauestens überprüfen. »In einem Bungalow am Kendwa Beach.«
Der Kapitän gab ihnen ihre Papiere zurück, dann tippte er mit einem Finger gegen seinen Mützenschirm. »Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag.«
Und dann schwang er sich wieder über die Reling und verschwand in der
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