Das Erbe der Azteken
mit Frankfurter Würstchen?«
Sam schürzte die Lippen. »Was für eine Auswahl! Lass uns feiern, dass wir nicht längst abgesoffen sind. Wir genehmigen uns beides.«
»Eine gute Wahl. Und zum Nachtisch gibt es frische Mangos.«
Die überraschend komfortable Armeekoje wiegte sie in Verbindung mit der salzigen Luft und dem sanften Schaukeln der ankernden Dau in einen tiefen, erholsamen Schlaf. Um vier Uhr morgens summte Sams Armbanduhr, und sie erhoben sich, frühstückten die Reste der Mango vom Vorabend und tranken dazu starken schwarzen Kaffee, ehe sie den Anker lichteten und ihre Fahrt fortsetzten.
Auf Grund mäßiger frühmorgendlicher Winde verloren sie etwa ein Stunde. Aber kurz vor Sonnenaufgang frischten die Winde wieder auf, und schon bald glitten sie mit stetigen sechs Knoten Fahrt nach Norden, bis sie gegen sieben Uhr North Fanjove Island sichteten. Eine halbe Stunde später erreichten sie das Atoll, von dem ihnen Ed Mitchell erzählt hatte. Sie refften die Segel, starteten den Motor und verbrachten weitere vierzig nervenaufreibende Minuten damit, sich einen Weg zwischen den Riffs zu suchen, bis sie die Südseite von Little Sukuti Island erreichten. Sam lenkte ihr Boot an der Küste entlang, bis Remi eine von Mangroven zugewucherte Bucht entdeckte, in der, wie sie hofften, die Dau vor neugierigen Blicken geschützt wäre. Indem er sich an Remis Handzeichen vom Bug orientierte, steuerte Sam die Dau in die Bucht. Er schaltete den Motor aus und ließ die Dau weitertreiben, bis sie sich zwischen zwei Mangroven, die über das Wasser ragten, verkeilte.
Nachdem sie während der vorangegangenen Stunde das stetige Tuckern des Motors der Dau hatten anhören müssen, erschien ihnen die plötzliche Stille nun beinahe ohrenbetäubend. Sie verharrten einige Zeit reglos und lauschten, bis der Dschungel ringsum mit einer Kakophonie vielstimmiger Vogelrufe und lauten Insektensummens wieder zum Leben erwachte.
Remi schlang die Bugleine um einen der Mangrovenstämme, dann kam sie zu Sam aufs Achterdeck. »Wie ist dein Plan?«, fragte sie.
»Wir sollten davon ausgehen, dass sich die Glocke noch immer an Bord der Njiwa befindet. Das wäre natürlich der günstigste Fall. Mit ein wenig Glück brauchen wir noch nicht einmal die Insel zu betreten. So oder so müssen wir auf den Einbruch der Nacht warten. Bis dahin würde ich vorschlagen, dass wir die Umgebung ein wenig erkunden und uns ein kleines Picknick gönnen.«
»Ausspähen und picknicken«, wiederholte Remi grinsend. »Von so etwas träumt jede Frau.«
Im Gegensatz zu ihrem Alter Ego bestand Little Sukuti Island fast ausschließlich aus Mangrovensumpf und Urwald, bis auf einen einsamen gezackten Hügel, der sich nicht mehr als knapp einhundertsiebzig Meter über den Meeresspiegel erhob. Aber wie Sam und Remi schon mehrfach hatten erfahren müssen, konnte sich ein Aufstieg über einhundertsiebzig Meter unwegsames Gelände und verschlungene Wege zu einem Drei- oder Vier-Stunden-Marsch ausdehnen.
Um zehn Uhr morgens, bereits heftig schwitzend und von Insekten zerstochen, ließen sie den Sumpf hinter sich und drangen in den Dschungel ein. Mit Sam als Vorhut arbeiteten sie sich nach Norden vor, bis sie endlich fanden, was sie gesucht hatten: einen Fluss. Wasser bedeutete die Nähe von Tieren, und die Anwesenheit von Tieren hatte gewöhnlich die Existenz von Wildwechseln zur Folge. Schon nach wenigen Minuten stießen sie auf einen, der nach Nordwesten zum höchsten Punkt der Insel führte. Kurz vor ein Uhr Mittag traten sie aus dem Dschungel und standen am Fuß der Hügelspitze.
»Das wäre so gut wie geschafft«, sagte Remi und legte den Kopf in den Nacken.
Der Steilhang bot keine Schwierigkeiten. Er war knapp zwanzig Meter hoch, an keiner Stelle steiler als fünfzig Grad und wies zahlreiche Risse und Spalten auf, die sie als Fußtritte und Handgriffe nutzen konnten. Nach einer kurzen Trinkpause nahmen sie die letzte Etappe ihres Aufstiegs in Angriff und machten es sich schon bald in einer kleinen Nische unter der Bergspitze gemütlich. Jeder holte sein Fernglas aus dem Rucksack, erhob sich und verschaffte sich einen Rundblick.
»Ein Wal bläst«, murmelte Sam.
Gut anderthalb Kilometer von ihnen entfernt und dreißig Meter tiefer gelegen stand Okafors Domizil. Buttergelb gestrichen mit strahlend weißen Verzierungen, besetzte es die Mitte einer nahezu perfekt kreisrunden, mit rotbraunem Erdreich bedeckten Lichtung. Wie Sam vorausgesagt hatte, arbeiteten drei
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