Das Erbe der Azteken
gezeichnete Landkarte«, stellte Sam fest. »Und in der Mitte steht ein Text … ›Großer grüner mit Diamanten besetzter Vogel‹. Rechts davon ist noch mehr Text – den kann ich nicht lesen –, dann einige geometrische Symbole in der Ecke. Haben Sie versucht, den Text zu vergrößern?«
Selma nickte. »Ich habe Wendy daran arbeiten lassen – sie ist die Grafik-Expertin. Je mehr wir den Ausschnitt aber vergrößert haben, desto verschwommener wurde die Schrift.«
»Was steht da unten rechts? War Orizaga hier? Selma, haben Sie das schon mal irgendwo gesehen?«
»Den Namen? Schon sehr oft.«
Remi stand auf und trat dicht an den Bildschirm heran. »In der Mitte, auf der rechten und der linken Seite … ›Leonardo der Lügner‹ und ›63 große Männer‹. Dazwischen diese Zahlen … ›1123581321‹. Junge, Junge, das nenne ich ein Rätsel.«
»Das Bild unten rechts ist eindeutig ein Vogel«, fügte Selma hinzu.
»Der ›große grüne mit Diamanten besetzte Vogel‹?«, fragte Remi.
»Könnte sein. Was die beiden Bilder in der Mitte betrifft – das eine, das wie eine kleine Höhlenzeichnung aussieht, und der Bogen darunter –, sie waren bisher auf Dutzenden von Seiten zu sehen.«
Die drei verstummten und blickten mehrere Minuten lang auf den Bildschirm. Mit zusammengekniffenen Augen stand Sam auf, ging zum Schirm und tippte auf die Zahlensequenz, die Remi aufgefallen war. »Ich muss wohl doch erschöpfter sein, als ich geglaubt habe«, sagte er. »Diese Zahlen sind die Fibonacci-Folge.« Da er wusste, dass seine Frau im Gegensatz zu ihm mit der Mathematik eher auf Kriegsfuß stand, hängte Sam eine Erklärung an. »Wenn man sie addiert, ergeben die erste und die zweite Zahl die dritte. Dann zählt man die dritte und die vierte zusammen und erhält als Summe die fünfte Zahl und so weiter.« Er kehrte zum Arbeitstisch zurück und schrieb auf einen Notizblock:
1 + 1 = 2
1 + 2 = 3
2 + 3 = 5
3 + 5 = 8
»Ihr versteht, was gemeint ist«, sagte er. »Außerdem ist es Grundlage dessen, was man den Goldenen Schnitt nennt oder die goldene Spirale oder auch die Fibonacci-Spirale. Moment, ich zeig es euch.« Er ging zu einer der Computer-Stationen, startete eine kurze Google-Suche und rief mit einem Doppelklick eines der Suchergebnisse auf. Das Bild füllte den Bildschirm:
»Man erzeugt ein Kachelmuster mit beliebigen Fibonacci-Zahlen und verbindet die einzelnen Elemente mit einem Bogen«, sagte Sam. »Das erste Quadrat kann eine Kantenlänge von einem Zentimeter oder zehn Zentimetern oder wer weiß was haben. Es kann alles Mögliche sein.«
»Das ist es, was auf der Tagebuchseite zu sehen ist«, sagte Remi. »Eine Fibonacci-Spirale.«
Sam nickte. »Zumindest ein Teil davon. Die Spirale ist für eine ganze Reihe heiliger geometrischer Theorien von grundlegender Bedeutung. In der Natur trifft man die Spirale in vielen Formen an – zum Beispiel bei Muscheln und ihrer Entstehung oder in Blumenblüten. Die Griechen haben die Spirale bei vielen ihrer Bauten verwendet. Sogar Web-Designer und Werbegrafiker benutzen sie bei ihren Entwürfen. Es gibt wissenschaftliche Studien, aus denen hervorgeht, dass die Goldene Spirale dem Auge ganz besonders schmeichelt. Aber warum das so ist, kann niemand genau erklären.«
»Die Frage ist«, sagte Remi, »weshalb war Blaylock geradezu besessen davon? Wo kann man sie denn sonst noch verwenden, Sam?«
»Bei allem, was mit Geometrie zu tun hat. Ich habe gelesen, dass die NSA die Fibonacci-Folge und die Spirale in der Kryptografie einsetzt, aber fragt mich nicht, wie. Das liegt weit außerhalb meines Begriffsvermögens. Selma, gibt es noch weitere Bilder, die ständig wiederholt werden?«
Anstelle einer Antwort nahm Selma den Telefonhörer ab und wählte die Nummer der Archivkammer. »Pete, erinnern Sie sich noch an Bild Zwölf-Alpha-Vier? Richtig, genau das meine ich. Wie oft haben Sie es gefunden? Haben Sie es schon digitalisiert? Gut, dann laden Sie es in den Server, okay? Ich möchte es Mr und Mrs Fargo zeigen … Ich warte.« Und nach einigen Sekunden: »Danke.«
Selma legte auf, ergriff die Fernbedienung und arbeitete sich mit ihrer Hilfe durch die Datenbank auf dem Server. »Das Bild, das wir Zwölf-Alpha-Vier genannt haben, ist bislang insgesamt neun Mal erschienen, gewöhnlich an den Seitenrändern, aber manchmal auch als zentrale Illustration. Da ist es schon. Wendy hat es gescannt, bearbeitet und gespeichert. Trotzdem ist es ziemlich verschwommen.« Selma
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