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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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wieder mit Johann allein.
    Sie legte sich gerade die Tafel zurecht, als von der Gasse her ungewohnter Lärm zu hören war. Ein Grölen und Jaulen schallte durch die offenen Fenster ins Haus, es war so laut, dass man kaum noch das eigene Wort verstand.
    Madlen eilte hinaus, gefolgt von Johann. Ihnen wurde ein erschreckender Anblick zuteil. Ludwig, der Sohn der Nachbarn Agnes und Hans, jagte mit einem Eichenprügel hinter einem Hund her, der verletzt war und deshalb nicht weglaufen konnte. Beide Hinterläufe waren gebrochen, das arme Tier winselte erbärmlich. Es blutete aus dem Maul, und auch das Fell war von tiefen Wunden übersät. Ludwig drosch unter dem Johlen von Willi und Berni auf den Hund ein, während Caspar an der Hauswand lehnte und sich offensichtlich gut von dem Schauspiel unterhalten fühlte.
    »Gib’s ihm, Ludwig!«, schrie Willi. Sein rundes Gesicht war erhitzt vor Eifer, die Pickel leuchteten tiefrot. Auch Berni johlte und klatschte begeistert in die Hände.
    Madlen wollte einschreiten, doch Johann kam ihr zuvor. Mit wenigen großen Schritten war er bei Ludwig, riss ihm den Stock aus der Hand und zog ihn dem Jungen übers Gesäß.
    »Nicht!«, rief Madlen, doch es war schon passiert. Ludwig blieb stocksteif stehen und glotzte Johann an. Der Hund kroch an den Straßenrand und brach dort zu einem jämmerlich fiependen Bündel zusammen. Johann ging neben dem Tier in die Hocke. Er zog den Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel, stieß dem Hund die Klinge ins Herz und säuberte sie anschließend, indem er sie über das am Gassenrand wachsende Gras zog. Langsam richtete er sich wieder auf, schob den Dolch zurück in die Scheide und wandte sich zu Willi, Berni und Caspar um. Hastig und ohne ein Wort verschwanden die drei in der Einfahrt.
    Madlen eilte zu Ludwig und nahm seine Hand.
    »Ludwig«, sagte sie sanft. »Es ist alles in Ordnung.«
    Doch der Junge sah sie nicht an. Aus seinem geöffneten Mund rann Speichel, seine entzündeten Augen zuckten, sein Körper zitterte. Seiner Kehle entrang sich ein Ächzen, er versuchte etwas zu sagen.
    »G-gut«, brachte er schließlich mühevoll und unter Gestotter heraus. »L-Ludwig guter Junge.«
    »Jesus«, sagte Johann erschüttert, als er erkannte, was mit dem Jungen los war.
    »Ja, Ludwig ist ein guter Junge«, sagte Madlen beruhigend. »Es war wieder derselbe, oder? Wer hat dir den Stock gegeben und gesagt, dass du den Hund schlagen sollst?«
    »Böser Hö-Höllenhund, will Ludwig fr-fressen«, stammelte Ludwig. Er war vierzehn, so alt wie Willi. Für sein Alter war er groß und kräftig, aber sein Geist war auf dem Stand eines Dreijährigen. Als kleiner Junge war er in den Duffesbach gefallen und fast ertrunken, seither war er so wie jetzt. Madlen konnte Agnes nicht ausstehen, doch eines musste man der Frau hoch anrechnen: Sie hing mit nie versiegender Liebe an ihrem Sohn, nichts war ihr je zu viel, was ihn betraf. Niemals wäre sie auf den Gedanken gekommen, Ludwig abzuschieben, auch wenn er eine Last war, da er nie ohne Aufsicht sein konnte und oft unter Krämpfen litt, die zuweilen mit quälenden, dumpfen Schreien einhergingen.
    »Die drei werde ich Mores lehren!« Johanns Gesicht war weiß. »Sie sollen was erleben!« Ruckartig wandte er sich ab und ging zur Toreinfahrt.
    »Warte!«, rief Madlen ihn zurück. »Wahrscheinlich war es wieder der Sohn vom Hundeschläger, der hat das schon mal gemacht. Dem armen Jungen einen halb toten Hund vor die Füße geworfen und ihm gesagt, es sei ein Höllendämon, den er totschlagen müsse.«
    »Das mag sein. Aber du hast gesehen, wie sehr dein Knecht und deine Lehrjungen sich am Leid einer Kreatur Gottes ergötzt haben.«
    An der Art, wie Johann Ludwig ansah, erkannte Madlen, dass er damit nicht den Hund gemeint hatte. Reue und Scham standen in seinem Gesicht, aber auch Zorn, sowohl auf sich selbst, weil er vorschnell einen Unschuldigen bestraft hatte, als auch auf Caspar und die Lehrbuben, weil sie sich an dem Geschehen erfreut hatten.
    »Sie haben Strafe verdient«, räumte Madlen ein. »Doch schlagen sollte man sie nicht.« Ihr Gesinde war nicht bösartig, sondern verhielt sich bloß genauso wie die meisten anderen Menschen, die jederzeit bereit waren, in Scharen zusammenzulaufen, wenn jemand ausgepeitscht, gebrandmarkt, verstümmelt oder gehenkt wurde. Madlen selbst würde dagegen niemals begreifen, was die Leute an solch blutigen Grausamkeiten fanden, ihr wurde dabei höchstens übel vor Abscheu und Mitleid.
    »Sie

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