Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Tag. Meist blieb er nur für eine oder zwei Stunden weg, einmal war er jedoch auch für einen ganzen Tag fort gewesen, doch das war am Sonntag gewesen, da ruhte ohnehin die Arbeit. Er hatte nicht gesagt, wohin er wollte, und er war erst lange nach Sonnenuntergang zurückgekehrt, nachdem Madlen bereits davon überzeugt gewesen war, er werde nicht wiederkommen.
Unter der Woche hatte er jeden Tag fleißig gearbeitet, Faulheit konnte man ihm wahrlich nicht vorhalten. Er schuftete buchstäblich für drei. Den Zaun hatte er in zwei Tagen zur Gänze erneuert. Zwischendurch hatte er in drei Stunden an der Malzmühle so viele Säcke Getreide geschrotet wie Willi im Laufe eines ganzen Tages. Am Samstagmorgen hatte er mit der Kraft eines Ochsen das Fuhrwerk mit Fässern für den Marktverkauf beladen, so schnell, wie Caspar, Willi und Berni es auch mit vereinten Kräften nicht hingekriegt hätten. An den Abenden hatte er in der Schänke Bier gezapft und dabei standhaft die neugierigen und bohrenden Blicke der Gäste ignoriert. Als einer von ihnen Madlen an sich gezogen und sie begrapscht hatte, war Johann eingeschritten. Er hatte den Mann wortlos gepackt, ihn wie ein kleines Kind vor die Tür getragen und ihm dort erklärt, was er beim nächsten Mal mit ihm machen würde. Im Haus hatte er einen Fensterladen repariert, der schon seit Monaten geklappert hatte. Er war aufs Dach geklettert und hatte lockere Schindeln befestigt. Und er hatte dem Gaul den Huf gerichtet, ohne ihn dabei auch nur ein einziges Mal anzuschreien. Kurzum: Er hatte sich binnen kürzester Zeit unentbehrlich gemacht. Soweit es Madlen betraf, hätte es gar nicht besser laufen können. Sie hoffte, dass Johann noch möglichst lange in Köln blieb. Anders als befürchtet, fiel er niemandem zur Last. Schweigend und zügig erledigte er alle ihm übertragenen Aufgaben – und noch einige mehr, die er aus eigenem Antrieb verrichtete. Er redete nur das Nötigste und wehrte jede Bestrebung des Gesindes, Unterhaltungen anzufangen, mit höflicher Einsilbigkeit ab. Madlen selbst versuchte gar nicht erst, ihn ins Gespräch zu ziehen. Seit jenem Nachmittag im Garten hatten sie kaum mehr als ein paar Worte miteinander gewechselt. Dennoch spürte sie, dass er Geheimnisse mit sich herumtrug, von denen sie lieber nichts wissen wollte. Sie war davon überzeugt, dass das auch der Grund für sein gelegentliches Verschwinden war. Nie wusste sie, wohin er ging, abgesehen von jenem einen Mal, da konnte er nur im Badehaus gewesen sein, weil er anschließend sauber und wohlriechend heimgekommen war. Dafür hatte er am Sonntag, als er den ganzen Tag mit unbekanntem Ziel verschwunden war, bei seiner Rückkehr nach feuchter Borke, Moos und Lehm gerochen, und seine Stiefel und Beinlinge waren schlammverschmiert gewesen, als hätte er stundenlang in nasser Erde herumgewühlt.
Jacop riss sie aus ihren Gedanken. »Was hast du jetzt vor?«
»Woher soll ich das wissen?«, versetzte sie gereizt. Sie kratzte sich am Arm, es juckte plötzlich teuflisch. Bekam sie dort etwa wieder Pusteln?
»Du solltest zumindest darüber nachdenken. Gut, er ist wirklich hässlich, aber mit etwas Überwindung …«
»Er ist nicht hässlich«, fiel sie ihm ins Wort.
»Oh. Na dann.« Aufmunternd sah er sie an. »Sprich doch einfach mit ihm. Bestimmt tut er dir den Gefallen, dich ein einziges Mal zu begatten. Du bist ein hübsches Frauenzimmer. Sogar ich könnte es tun, wenn es sein müsste.«
Es kostete Madlen Überwindung, ihn nicht zu ohrfeigen. Noch lieber hätte sie ihn angeschrien, er möge sich fortscheren. Allein seine Dreistigkeit, über solche Dinge mit ihr zu reden! Wie stellte er sich das eigentlich vor? Dass sie … O nein, auf keinen Fall, niemals würde sie sich auf diese Weise einem Manne andienen! Und was ebenfalls zu bedenken war: Jacop hatte sie schon einmal mit seinem undurchschaubaren Intrigenspiel hereingelegt, die ganze Sache mit der Begnadigung stank zum Himmel, es kursierten die unterschiedlichsten Versionen darüber in der Stadt. Und wenn er nun behauptete, Barthel sei im Begriff, alles zu ruinieren, stimmte vielleicht auch das hinten und vorne nicht. Doch ihre nagende Sorge wollte nicht weichen.
Sie sah Johann das nächste Mal etwa eine Stunde später, als sie gerade im Hof stand und Wasser aus dem Brunnen schöpfte. Unbestimmter Ärger erfüllte sie, als er zu ihr trat. »Wir müssen uns unterhalten«, sagte er.
»Der Meinung bin ich auch«, blaffte sie ihn an. »Du warst die
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