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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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den Becher weg, ergriff den Apfel und biss mit seinen kräftigen Zähnen hinein. Ein winziger Saftspritzer traf Madlen an der Lippe, sie leckte ihn unwillkürlich weg. Sein Blick heftete sich auf ihre Zungenspitze, und Madlen musste die Hände ineinander verschränken, um ihr plötzliches Zittern zu verbergen. Die Luft zwischen ihnen schien mit einem Mal zum Schneiden dick zu sein. Madlen konnte kaum noch atmen. Sie musste schnell hier raus, so viel stand fest. Zeit, ihr letztes Anliegen zur Sprache zu bringen, beim nächsten Mal fand sie vielleicht nicht mehr den Mut dafür.
    »Ich … ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, platzte sie heraus.
    »Was immer du willst, Madlen.« Seine Stimme klang rau, in ihrem Nacken stellten sich winzige Härchen auf. Seine Blicke wanderten über ihren Körper. Madlen meinte, sie förmlich auf ihrer Haut zu spüren, es war wie ein vorsichtiges Abtasten.
    »Ich will das Schreiben und Lesen von Zahlen und Wörtern lernen. Kannst du es mir beibringen?«
    Ehrliche Verblüffung zeichnete sich in seinem Gesicht ab. »Nun ja. Das kommt ganz darauf an.«
    »Worauf?«, wollte sie misstrauisch wissen. »Willst du dafür was haben?«
    Irritiert hob er die vernarbte Braue. »Das ist Unsinn, denn dann wäre es ja kein Gefallen. Nein, ich meinte Folgendes: Es kommt darauf an, wie viel Zeit du dir dafür nehmen willst.«
    »Würde es denn sehr lange dauern?«
    Er lächelte flüchtig. »Von heute auf morgen lernt man es gewiss nicht. Ich habe Jahre gebraucht und war für meinen Lehrer eine echte Plage.«
    Ihr sank das Herz. Dann würde sie es nie lernen!
    »Du könntest es sicher viel schneller schaffen«, fuhr er fort. »Wenn man es wirklich will und nebenher übt, kann man es in ein paar Monaten beherrschen. Vielleicht nicht vollständig, aber doch genug, um einfache Texte lesen und verstehen zu können.«
    »Und die Zahlen?«
    »Da ist es ähnlich. Die römischen Ziffern lassen sich etwas leichter lernen, aber rechnen lässt es sich besser mit den arabischen, vor allem im Kopf.«
    »Dann will ich die arabischen lernen«, erklärte sie sofort.
    »Von höherer Mathematik verstehe ich nicht viel. Ich kann dir nur einfache Rechenarten beibringen.«
    Sie nickte bereitwillig. »Das würde mir reichen. Wir könnten uns immer sonntags und montags zusammensetzen, dann haben wir keinen Schankbetrieb. Können wir gleich morgen nach der Arbeit anfangen?«
    »Meinetwegen schon heute. Schließlich ist Sonntag.«
    Sie wagte einen kurzen Blick auf seine nackte Brust. »Lieber morgen.«
    Am folgenden Morgen, kurz nach dem Terzläuten, stand Johann in der Glockengasse, in Sichtweite des Beginenkonvents. Er wusste, dass er, indem er hier auf das Erscheinen seiner Schwester wartete, Madlen in gewisser Weise täuschte. Sie ging stillschweigend davon aus, dass es ihm reichte, Blithildis sicher untergebracht zu wissen, sodass er darauf verzichten würde, seine Schwester wiedersehen zu wollen, mit Rücksicht auf deren Seelenzustand. Doch das hatte er mitnichten vor, es war das schlichte Gegenteil von dem, was er wollte. Natürlich widerstrebte es ihm zutiefst, Blithildis in irgendeiner Form Ungemach zu bereiten, denn nach allem, was Madlen angedeutet hatte, war ihr genug Leid widerfahren. Madlen hatte nicht mit Einzelheiten herausrücken wollen, und er war deswegen nicht in sie gedrungen, weil es nur wieder ihren Unwillen erregt hätte – sie war ja strikt dagegen, dass er Blithildis wiedersah, daher musste er sich nach ihrem Dafürhalten auch nicht mit den schlimmen Einzelheiten belasten. Ihr fürsorgliches Bestreben, den Mantel des Vergessens über die Vergangenheit breiten zu wollen, rührte ihn eher, als dass es ihn störte, denn er würde das, was er wissen musste, auf anderem Wege herausfinden. Für den Anfang hatte ihm bereits Irmla weitergeholfen. Schon ein paar beiläufige Fragen von Johann hatten gereicht, sie hatte nach dem Morgenmahl alle möglichen wissenswerten Einzelheiten ausgeplaudert. Etwa, dass Juliana immer mit einer Magd ihre Krankenbesuche vornahm, welche wiederum eine sehr gute Freundin von Irmla war. Aus diesem Grund wusste Irmla auch, zu welchen Zeiten Juliana für gewöhnlich zur Arbeit ging.
    »O nein, sie muss nicht von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, die Beginen dieses Konvents führen ein wirklich angenehmes Leben. Meist machen sie sich erst beim Terzläuten auf den Weg.« Irmlas verdrießlicher Ton ließ vermuten, dass sie diese Verlautbarung gern in Madlens

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