Das Erbe der Carringtons
lassen.
„Bist
du sicher?“, fragte er. „Ich meine, das sind schließlich Tagebücher… von deiner
Mutter.“
Ariana
warf ihm einen Blick zu, den Sarah als ‚ na und? ’ deutete. Julian
verstand sie offenbar auch, denn er antwortete: „Und sie ist eine Frau. Wer
weiß, was sie schreibt…“
Ariana
machte ein Geräusch, das wie eine Mischung aus Schnauben und Lachen klang.
„Männer! Ich glaube kaum, dass Sarahs Mutter über ihr Sexleben geschrieben
hat.“
Sarah
starrte sie ungläubig an. Auf so eine Idee war sie überhaupt noch nicht
gekommen. Sie hatte sich generell keine Gedanken darüber gemacht, dass sie
Tagebücher lasen, die intime Gedanken ihrer Mutter enthielten. Tagebücher waren
normalerweise geheim und tabu. Man las sie nicht einfach. Aber ihre Mutter
lebte nicht mehr, hatte Sarah ihr Leben lang belogen und ihr wichtige Dinge
verschwiegen. Das rechtfertigte es in ihren Tagebüchern herumzuschnüffeln,
oder? Es blieb ihr auch keine andere Wahl. Sie musste mehr über sich erfahren,
um sich selbst besser kennenzulernen und dadurch auch besser verteidigen zu
können. Sie wusste zwar nicht, wie ihr Antworten auf ihre Fragen beim Überleben
helfen würden, hatte aber das Gefühl, dass es so war. Es war wichtig, alles
über sich und ihre Vergangenheit zu wissen.
„Soviel
ich weiß, hatte meine Mutter kein Sexleben nach meinem Stiefvater und wenn
doch, hat sie bestimmt nicht darüber geschrieben. Ich glaube kaum, dass du dir
in der Hinsicht Sorgen machen musst“, versicherte sie Julian.
„Mache
ich auch gar nicht. Ich will nur nicht, dass du dich hinterher beschwerst, wenn
ich etwas lese, das dir unangenehm sein könnte“, entgegnete er.
Sarah
zuckte mit den Schultern. Sie war sich sicher, dass sie um ‚ unangenehm’ auf keinen Fall herumkommen würde.
„Falls
du doch was findest, das dich erröten lassen könnte, kannst du es ja
überspringen“, schlug Ariana schmunzelnd vor.
„Wer
sagt denn, dass ich das will?“, entgegnete Julian neckisch.
Ariana
nahm das Buch, das sie in der Hand hielt, und schlug ihm damit gegen den Arm.
„Benimm dich! Das ist Sarahs Mutter , von der wir hier reden.“
„Sorry“,
murmelte er, rieb sich den Arm und nahm eines der Tagebücher.
Im
Anschluss lasen die beiden schweigend. Da niemand etwas sagte, ging Sarah davon
aus, dass sie nichts Besonderes fanden und widmete sich wieder ihrem eigenen
Text.
Am
besten gehe ich wieder in die Hexenküche. Es ist mein letzter Abend hier. Ich
könnte noch eine neue Wundsalbe herstellen. Was man in Apotheken bekommt, ist
ja lächerlich.
Damit
endete der Eintrag. Der nächste war ungefähr ein halbes Jahr später datiert.
Bestimmt hatte ihre Mutter das Buch in Lunadar gelassen. Sarah konnte sich auch
nicht erinnern, zu Hause jemals ein Tagebuch gesehen zu haben. Sie widmete sich
wieder dem Text, fand aber die nächsten Seiten über nichts Interessantes oder
Ungewöhnliches. Nach einer Weile fing es an, dunkel zu werden. Sarah wollte
gerade vorschlagen, dass sie für heute genug gelesen hatten, als sich Ariana
aufsetzte und rief:
„Das
müsst ihr euch anschauen!“ Sie klang aufgebracht.
Neugierig
sahen Sarah und Julian zu ihr.
„Lies
vor“, forderte Sarah sie auf.
„Okay“,
antwortete Ariana und blätterte eine Seite zurück. „Der Eintrag ist vom
01.01.1994.“
„Da
war ich fast ein Jahr alt“, murmelte Sarah.
Ariana
nickte und räusperte sich, bevor sie begann. „Ich kann es immer noch nicht
glauben. Tom hat mir letzte Nacht einen Heiratsantrag gemacht! Damit hätte ich
nie gerechnet. Ich wusste nicht mal, dass er Gefühle für mich hat, oder
zumindest habe ich mir das immer eingeredet. Wenn ich ehrlich zu mir selbst
bin, habe ich es doch von Anfang an gespürt und ich mochte ihn auch gleich,
wenn auch nicht auf diese Weise. Damals war ich noch mit Joran zusammen und Tom
war sein Freund. Es wäre für mich undenkbar gewesen, je etwas mit Tom anzufangen,
und er sah das garantiert genauso. Joran auf diese Weise zu hintergehen, wäre
so ziemlich das Schlimmste gewesen, was wir hätten tun können. Dafür war er uns
viel zu wichtig. Außerdem war ich unsterblich in Joran verliebt. Nach seinem
Tod war ich zu deprimiert, um auch nur daran zu denken, mich in einen Anderen
zu verlieben, ganz zu Schweigen davon, zu heiraten. Auch jetzt kann ich es mir
noch nicht so richtig vorstellen. Jemand anderen zu lieben, erscheint mir
falsch und unmöglich. Tom ist allerdings nicht irgendjemand. Er ist mein
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