Das Erbe der Carringtons
war, hätte sie sich um ihn gekümmert, statt sich darüber zu ärgern,
dass er sie kaum beachtete und sich zu wundern, ob er sie noch mochte. Sie
atmete tief ein und unterdrückte die Tränen, die ihr in die Augen traten. Sie
würde nicht anfangen, vor ihren Freunden zu weinen! Das war Tom nicht wert. Er
hatte sie belogen und von sich ferngehalten. Ihre Traurigkeit ließ nach und
veränderte sich in Wut. Wut war gut. Damit konnte sie leben. Es würde ihre
Suche nach Antworten anspornen. Heulen würde nichts bringen, sie nur depressiv
und lustlos machen. Das hatte sie nach dem Tod ihrer Mutter herausgefunden.
„Vielleicht
solltest du eine Pause machen“, schlug Julian vor. „Das Essen ist sowieso
gleich fertig.“
Erneut
atmete Sarah tief durch. Diesmal um sich zu beruhigen und nicht das Tagebuch
auf den Boden zu knallen. Das würde ihr auch nicht helfen.
„Eine
Pause klingt gut“, antwortete sie, als sie sich wieder unter Kontrolle hatte.
Dass sie nach nicht mal einem vollständigen Tagebucheintrag schon eine
brauchte, war allerdings kein gutes Zeichen. Wenn das so weiterging, würde sie
mit den Büchern erst in ein paar Jahren durch sein.
Nach
dem Essen, während dem Ariana und Julian versuchten, sie aufzumuntern, hatte
Sarah sich genug beruhigt, um sich wieder an das Tagebuch
heranzuwagen.
Ich
hätte doch versuchen sollen, einen Werwolf oder Vampir zu finden, der bereit
war, Tom zu verwandeln. Aber das wollte er nicht. Er ist als Mensch zur Welt
gekommen und wollte auch so gehen. Das hat er mir immer wieder gesagt. Damals
habe ich beschlossen seinen Wunsch zu berücksichtigen. Ob ich das heute noch
mal tun würde, weiß ich nicht. Tom sterben zu sehen war noch härter, als ich
geglaubt habe. Ich hatte Jahre, um mich darauf vorzubereiten. Das machte es
hinterher aber nicht leichter. Ihn zu verlieren war genauso schlimm, wie bei
Joran. Wenn ich Sarah nicht hätte…
Als
Sarah den Namen ihres Vaters las, fing ihr Herz an zu klopfen. Sie wusste fast
nichts über ihn, außer, dass er vor ihrer Geburt bei einem Unfall gestorben war
und ihre Eltern sich sehr geliebt hatten. Bei Fragen war ihre Mutter zu traurig
geworden, weshalb Sarah aufgehört hatte, welche zu stellen. Nun wunderte sie
sich, ob das Schweigen ihrer Mutter vielleicht noch einen anderen Grund gehabt
hatte. Wahrscheinlich war sie mittlerweile paranoid, aber wer konnte ihr das
nach all den Geheimnissen und Lügen übelnehmen? Fast nichts in ihrem Leben war
das, was es zu sein schien. War ihr Vater wirklich bei einem Unfall gestorben?
War er ein normaler Mensch gewesen? Eine neue Flut an Ungewissheiten prasselte
auf sie ein. Sarah seufzte. Sich noch mehr Fragen zu stellen, würde nicht
helfen. Sie musste weiterlesen, um stattdessen Antworten zu finden.
Was
schreibe ich nur wieder? Ich sollte mich lieber mit etwas Fröhlichem
beschäftigen, bevor ich wieder depressiv werde.
Sarah
konnte sich nicht erinnern, ihre Mutter jemals depressiv erlebt zu haben.
Amanda Lewis war immer gut gelaunt und fröhlich gewesen. Aber das musste nichts
bedeuten. Sie hatte täglich Dinge verborgen. Es war möglich, dass sie vor ihrer
Tochter auch geheim gehalten hatte, wie schlecht es ihr gegangen war. Erneut
sah Sarah ihre Mutter mit anderen Augen. Sie hatte sich nie Gedanken darüber
gemacht, wie schwer es sein musste, nicht nur einen, sondern gleich zwei
Männer, die man liebte, zu verlieren. Wenn sie sich vorstellte, Ryan würde
sterben, wurde es ihr ganz schlecht und sie kannte ihn kaum. Nach Toms Tod
hätte sie mehr für ihre Mutter da sein sollen. Sie zog ihre Beine an ihren
Körper, legte die Arme darum, den Kopf auf ihre Knie und blickte hinaus auf das
Meer. Die Wellen zu beobachten und dem Rauschen zu lauschen beruhigte sie für
gewöhnlich. Hoffentlich würde es das jetzt auch tun. Wenn sie die Tagebücher
weiterlas, brauchte sie bestimmt jede Menge Beruhigung.
Julian,
der nach dem Essen alles aufgeräumt hatte, kam wieder auf die Terrasse und
setzte sich in einen Liegestuhl.
„Du
kannst auch eins lesen, wenn du magst“, bot Sarah ihm an und zeigte auf die
Kisten mit den Büchern. Je weniger sie lesen musste, bevor sie Antworten auf
ihre dringendsten Fragen fand, desto besser. Sie wollte zwar alle selbst
durchschauen, bekam aber mehr und mehr das Gefühl, dass es besser wäre, sich
damit Zeit zu
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