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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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tiefen veilchenblauen Blick. »Spiel nicht mit ihm. Denn das ist gemein.«
    »Ich spiele überhaupt nicht mit ihm! Wir unterhalten uns nur!«
    »Ich würde gern glauben« – die Zauberin klapperte mit der Schere und schnitt das nächste Knäuel ab, das sich partout nicht entwirren lassen wollte  –, »dass du während dieser Unterhaltungen daran denkst, worum ich dich gebeten habe.«
    »Ich denke dran, ich denke dran!«
    »Das ist ein intelligenter und heller Bursche. Ein, zwei unvorsichtige Worte können ihn auf die richtige Spur bringen, auf Dinge, von denen er nichts wissen darf. Von denen niemand wissen darf. Niemand, absolut niemand darf erfahren, wer du bist.«
    »Ich denke daran«, wiederholte Ciri. »Ich habe keinem ein Sterbenswörtchen gesagt, da kannst du sicher sein. Sag mir, müssen wir deswegen so plötzlich abreisen? Hast du Angst, jemand könnte erfahren, dass ich hier bin? Ist es darum?«
    »Nein. Aus anderen Gründen.«
    »Oder weil  ... es Krieg geben kann? Alle reden von einem neuen Krieg! Alle reden davon, Frau Yennefer.«
    »Gewiss«, bestätigte die Zauberin kalt und klapperte mit der Schere über Ciris Ohr. »Dieses Thema gehört zu den sogenannten ewigen. Man hat vom Krieg geredet, redet davon und wird davon reden. Und nicht grundlos – Kriege gab es und wird es geben. Nimm den Kopf nach vorn.«
    »Jarre hat gesagt  ... dass es keinen Krieg mit Nilfgaard geben wird. Er hat von irgendwelchen Analogien geredet  ... Hat mir eine Karte gezeigt. Ich selber weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich weiß nicht, was das für Analogien sind, das ist bestimmt etwas schrecklich Kluges  ... Jarre liest alle möglichen gelehrten Bücher und gibt an, aber ich denke  ...«
    »Ich bin neugierig, was du denkst, Ciri.«
    »In Cintra  ... damals  ... Frau Yennefer, meine Großmutter war viel klüger als Jarre. König Eist war auch klug, er war zur See gefahren, hatte alles gesehen, sogar den Narwal und die Seeschlange, bestimmt auch Analogien genug. Und? Plötzlich kamen sie. Die Nilfgaarder  ...«
    Ciri hob den Kopf, die Stimme stockte ihr. Yennefer umarmte sie, drückte sie fest an sich.
    »Leider«, sagte sie leise. »Leider hast du recht, hässliches Eulchen. Wenn die Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen und Schlüsse zu ziehen, entscheidend wäre, wüssten wir schon längst nicht mehr, was Kriege sind. Aber diejenigen, die es zum Krieg drängt, haben sich nie von Erfahrungen oder Analogien aufhalten lassen.«
    »Aber dann  ... dann ist es wahr. Es wird Krieg geben. Müssen wir deshalb abreisen?«
    »Reden wir nicht darüber. Wir wollen uns nicht im Voraus den Kopf zerbrechen.«
    Ciri schniefte. »Ich habe schon Krieg gesehen«, flüsterte sie. »Ich will keinen mehr sehen. Niemals. Ich will nicht wieder allein sein. Ich will keine Angst haben. Ich will nicht von neuem alles verlieren, wie damals. Ich will Geralt nicht verlieren  ... und dich, Frau Yennefer. Ich will dich nicht verlieren. Ich will bei dir sein. Und bei ihm. Für immer.«
    »Das wirst du.« Die Stimme der Zauberin zitterte ein wenig. »Und ich werde auch bei dir sein, Ciri. Immer. Das verspreche ich dir.«
    Ciri schniefte abermals. Yennefer hüsteltete leise, legte Kamm und Schere weg, stand auf, ging zum Fenster. Die Krähen schrien noch immer auf ihrem Flug zu den Bergen hin.
    »Als ich hier ankam«, ließ sich die Zauberin plötzlich mit ihrer gewöhnlichen klangvollen, ein wenig spöttischen Stimme vernehmen. »Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind  ... hast du mich nicht gemocht.«
    Ciri schwieg. Unsere erste Begegnung, dachte sie. Ich erinnere mich. Ich war mit anderen Mädchen in der Grotte, Hroswit zeigte uns Pflanzen und Kräuter. Da kam Iola die Erste herein, flüsterte Hroswit etwas ins Ohr. Die Priesterin verzog unwillig das Gesicht. Und Iola die Erste kam mit sonderbarer Miene auf mich zu. Mach dich fertig, Ciri, sagte sie, geh schnell ins Refektorium. Mutter Nenneke verlangt nach dir. Jemand ist gekommen.
    Seltsame, bedeutungsvolle Blicke, Aufregung in den Augen. Und Getuschel. Yennefer. Die Zauberin Yennefer. Schneller, Ciri, beeil dich. Mutter Nenneke wartet. Und die andere wartet auch.
    Damals wusste ich sofort, dachte Ciri, dass sie es ist. Denn ich hatte sie gesehen. In der Nacht zuvor. Im Traum.
    Sie.
    Ihren Namen kannte ich damals nicht. In meinem Traum hatte sie geschwiegen. Sie hatte mich nur angeschaut, und hinter ihr hatte ich in der Dunkelheit geschlossene Türen

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