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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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weiß, was das heißt«, unterbrach die Zauberin sie. »Du wirst das sicherlich wieder für bösartigen Spott halten, aber ich muss dir leider mitteilen, dass du Unsinn redest. Machen wir mit dem Test weiter.«
    »Ich bin eine Jungfrau!«, wiederholte Ciri streitsüchtig. »Was sollen diese Tests? Eine Jungfrau kann nicht zaubern!«
    »Ich sehe keinen Ausweg.« Yennefer lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Also geh und verliere die Jungfräulichkeit, wenn sie dich so sehr stört. Ich warte inzwischen. Aber beeil dich, wenn du kannst.«
    »Machst du dich über mich lustig?«
    »Du hast es bemerkt?« Die Zauberin lächelte ein wenig. »Ich gratuliere. Du hast den Eingangstest auf rasche Auffassungsgabe bestanden. Und jetzt der eigentliche Test. Schärfe bitte deine Aufmerksamkeit. Schau: Auf diesem Bild sind vier kleine Kiefern. Jede hat eine andere Anzahl Äste. Mal die fünfte, so, dass sie zu diesen vier passt, so, wie sie an diese leere Stelle gehört.«
    »Kiefern sind dumm«, befand Ciri, während sie mit herausgestreckter Zunge ein etwas schiefes Bäumchen malte. »Und langweilig! Ich verstehe nicht, was haben Kiefern mit Magie zu tun? Was? Frau Yennefer! Du hast versprochen, auf meine Fragen zu antworten!«
    »Leider«, seufzte die Zauberin, nahm den Bogen und betrachtete kritisch die Zeichnung. »Mir scheint, dass ich dieses Versprechen noch bereuen werde. Was Kiefern mit Magie zu tun haben? Nichts. Aber du hast richtig gezeichnet und schnell genug. Wirklich, für ein Mädchen sehr gut.«
    »Lachst du über mich?«
    »Nein. Ich lache selten. Ich brauche einen wirklich wesentlichen Grund, um zu lachen. Konzentrier dich auf das neue Blatt, Überraschungskind. Da sind Reihen gezeichnet, die aus Sternen, Ringen, Kreuzchen und Dreiecken bestehen, in jeder Reihe gibt es von jedem Element eine andere Anzahl. Überleg und sag mir: Wie viele Sterne müssen in der letzten Reihe sein?«
    »Sterne sind dumm!«
    »Wie viele, Mädchen?«
    »Drei!«
    Yennefer schwieg lange, den Blick auf ein nur ihr bekanntes Detail der geschnitzten Schranktür gerichtet. Das boshafte Lächeln in Ciris Gesicht begann allmählich zu weichen, bis es schließlich ganz verschwunden war.
    »Du warst sicherlich neugierig«, sagte die Zauberin sehr langsam, ohne den Blick vom Schrank zu wenden, »was passiert, wenn du mir eine sinnlose und dumme Antwort gibst. Vielleicht hast du gedacht, dass ich es nicht merke, weil mich deine Antworten überhaupt nicht interessieren? Da hast du falsch gedacht. Hast du vielleicht geglaubt, dass ich einfach zur Kenntnis nehme, dass du nicht klug bist? Da hast du falsch geglaubt. Aber wenn dir die Tests langweilig geworden sind und du beschlossen hast, zur Abwechslung mich zu testen  ... Na, das ist dir ja wohl gelungen. So oder so, dieser Test ist beendet. Gib mir das Blatt.«
    »Entschuldige, Frau Yennefer.« Das Mädchen senkte den Kopf. »Da muss natürlich  ... ein Stern sein. Ich bitte sehr um Entschuldigung. Bitte sei mir nicht böse.«
    »Schau mich an, Ciri.«
    Sie hob überrascht den Blick. Denn die Zauberin hatte sie zum ersten Mal mit ihrem Namen angesprochen.
    »Ciri«, sagte Yennefer. »Du musst wissen, dass ich entgegen dem Anschein ebenso selten böse bin, wie ich lache. Ich bin dir nicht böse. Und mit deiner Entschuldigung hast du bewiesen, dass ich mich in dir nicht getäuscht habe. Und jetzt nimm das nächste Blatt. Wie du siehst, sind darauf fünf Häuschen. Male das sechste Häuschen  ...«
    »Wieder? Ich verstehe wirklich nicht, wozu  ...«
    »Das sechste Häuschen.« Die Stimme der Zauberin änderte sich bedrohlich, und in ihren Augen funkelte violette Glut. »Hier, an der freien Stelle. Lass es mich nicht noch einmal sagen, bitte.«
     
    Nach den Äpfeln, Kiefernbäumchen, Sternen, Fischen und Häuschen kamen Labyrinthe an die Reihe, aus denen man sehr schnell den Ausweg finden musste, Wellenlinien, Kleckse, die an zerdrückte Schaben erinnerten, andere seltsame Bilder und Mosaiken, von denen es Ciri vor den Augen flimmerte und sich ihr der Kopf drehte. Dann kam eine kleine glänzende Kugel an einer Schnur, die sie lange anschauen musste. Das Anschauen war langweilig wie Flecke mit Öl, Ciri schlief dabei regelmäßig ein. Yennefer machte das seltsamerweise überhaupt nichts aus, obwohl sie sie einmal böse angeschrien hatte, als Ciri versuchte, über einem der Schabenkleckse ein wenig wegzudämmern.
    Vom gebeugten Sitzen über den Tests bekam sie Schmerzen im Genick und im

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