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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Rücken, und das von Tag zu Tag heftiger. Sie sehnte sich nach Bewegung und frischer Luft und sagte das, da sie sich ja zu Ehrlichkeit verpflichtet hatte, sogleich Yennefer. Die Zauberin nahm es so glatt hin, als habe sie schon lange darauf gewartet.
    Zwei Tage lang liefen beide durch den Park, sprangen unter den belustigten oder mitleidigen Blicken der Priesterinnen und Adeptinnen über Gräben und Zäune. Sie machten Gymnastik, übten die Balance, indem sie auf der Krone der kleinen Mauer entlanggingen, die den Garten und die Wirtschaftsgebäude umgab. Im Gegensatz zu dem Training in Kaer Morhen gingen die Übungen mit Yennefer jedoch stets mit Theorie einher. Die Zauberin lehrte Ciri richtiges Atmen, indem sie die Bewegungen von Brust und Zwerchfell mit einem starken Händedruck steuerte. Sie erklärte die Prinzipien der Bewegung, die Funktion von Muskeln und Knochen, sie führte vor, wie man sich erholt, sich entspannt und abschaltet.
    Während einer dieser Erholungspausen stellte Ciri, auf dem Gras ausgestreckt und den Blick gen Himmel gerichtet, die Frage, die ihr keine Ruhe ließ. »Frau Yennefer? Wann sind wir endlich fertig mit diesen Tests?«
    »Sind sie dir denn so lästig?«
    »Nein  ... Aber ich möchte wissen, ob ich mich zur Zauberin eigne.«
    »Du eignest dich.«
    »Das weißt du schon?«
    »Ich habe es von Anfang an gewusst. Wenige Leute sind imstande wahrzunehmen, dass mein Stern aktiv ist. Sehr wenige. Du hast es sofort bemerkt.«
    »Und die Tests?«
    »Sind abgeschlossen. Ich weiß jetzt über dich, was ich wissen wollte.«
    »Aber manche Aufgaben  ... Sie sind mir nicht besonders gut gelungen. Du hast selbst gesagt, dass  ... Weißt du es wirklich genau? Du irrst dich nicht? Du bist sicher, dass ich Fähigkeiten habe?«
    »Ich bin mir sicher.«
    »Aber  ...«
    »Ciri.« Die Zauberin wirkte amüsiert und ungeduldig zugleich. »Seit dem Augenblick, als wir uns auf die Wiese gelegt haben, unterhalte ich mich mit dir, ohne die Stimme zu benutzen. Das nennt man Telepathie, merk es dir. Und sicherlich hast du bemerkt, dass unser Gespräch davon nicht schwieriger wird.«
     
    »Magie« – den Blick zum Himmel über den Bergen gerichtet, legte Yennefer die Hand auf den Sattelknauf – »ist nach Ansicht mancher Leute eine Verkörperung des Chaos. Sie ist ein Schlüssel, mit dem man verbotene Türen öffnen kann. Türen, hinter denen der Albtraum, Gefahr und unvorstellbares Grauen lauern, hinter denen feindliche, zerstörerische Kräfte warten, die Mächte des reinen Bösen, die nicht nur den vernichten können, der die Türen öffnet, sondern die ganze Welt dazu. Und da es nicht an Leuten fehlt, die sich an diesen Türen zu schaffen machen, wird irgendwann jemandem ein Fehler unterlaufen, und dann wird der Weltuntergang vorherbestimmt und unausweichlich sein. Die Magie ist daher die Rache des Chaos. Dass die Menschen nach der Sphärenkonjunktion gelernt haben, sich der Magie zu bedienen, ist Fluch und Verderben der Welt. Das Verderben der Menschheit. Und so ist es, Ciri. Diejenigen, die Magie für Chaos halten, irren sich nicht.«
    Der schwarze Hengst der Zauberin wieherte auf einen Fersendruck hin anhaltend und ging langsam durchs Heidekraut. Ciri trieb ihr Pferd an, ritt hinterdrein, zog gleich. Das Heidekraut reichte bis zu den Steigbügeln.
    »Magie«, fuhr Yennefer nach einer Weile fort, »ist nach Ansicht mancher Leute eine Kunst. Eine große, elitäre Kunst, die schöne und ungewöhnliche Dinge zu erschaffen vermag. Magie ist ein Talent, das nur wenigen Auserwählten verliehen ist. Die anderen, denen das Talent fehlt, können nur voller Staunen und Neid auf die Arbeitsergebnisse der Künstler schauen, können die erschaffenen Werke bewundern und zugleich fühlen, dass die Welt ohne diese Werke und ohne dieses Talent armseliger wäre. Dass nach der Sphärenkonjunktion einige Auserwählte in sich Talent und Magie entdeckt haben, dass sie in sich die 
Kunst
 gefunden haben, ist ein Segen des Schönen. Und so ist es. Diejenigen, die Magie für eine Kunst halten, haben ebenfalls recht.«
    Auf der runden, kahlen Hügelkuppe, die aus dem Heidekraut herausragte wie der Rücken eines lauernden Raubtiers, lag ein riesiger Felsblock, der auf mehreren anderen, kleineren Steinen ruhte. Die Zauberin lenkte das Pferd zu ihm hin, ohne ihre Ausführungen zu unterbrechen.
    »Es gibt auch Leute, denen zufolge Magie eine Wissenschaft ist. Um sie zu meistern, genügen Talent und angeborene Fähigkeiten

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