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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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nicht. Unerlässlich sind Jahre gründlicher Studien und angestrengter Arbeit, notwendig sind Ausdauer und innere Disziplin. Die so erworbene Magie ist Wissen, ist Erkenntnis, deren Grenzen von klugen und lebhaften Geistern ständig erweitert werden, durch Erfahrung, Experiment, Praxis. Die so erworbene Magie ist ein Fortschritt. Sie ist Pflug, Webstuhl, Wassermühle, Hochofen, Hebel und Flaschenzug. Sie ist Fortschritt, Entwicklung, Veränderung. Eine unablässige Bewegung. Aufwärts. Zum Besseren. Zu den Sternen. Dass wir nach der Sphärenkonjunktion die Magie entdeckt haben, wird uns eines Tages erlauben, die Sterne zu erreichen. Steig ab, Ciri.«
    Yennefer näherte sich dem Monolithen, legte die Hand auf die raue Oberfläche des Steins, strich vorsichtig Staub und vertrocknete Blätter weg.
    »Diejenigen, die Magie für eine Wissenschaft halten«, fuhr sie fort, »haben gleichfalls recht. Merke dir das, Ciri. Und nun komm her zu mir.«
    Das Mädchern schluckte, trat näher. Die Zauberin legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Merke es dir«, wiederholte sie. »Magie ist Chaos, Kunst und Wissenschaft. Sie ist Fluch, Segen und Fortschritt. Alles hängt von dem ab, der sich der Magie bedient, wie und zu welchem Zweck. Magie aber ist überall. Überall ringsumher. Leicht zugänglich. Man braucht nur die Hand auszustrecken. Schau. Ich strecke die Hand aus.«
    Der Kromlech erzitterte fühlbar. Ciri hörte ein dumpfes, fernes Brausen, ein aus der Tiefe der Erde dringendes Rasseln. Das Heidekraut begann zu wogen, von einem Windstoß zu Boden gedrückt, der plötzlich auf die Anhöhe fiel. Der Himmel verfinsterte sich auf einen Schlag, von Wolken verhangen, die mit unheimlicher Geschwindigkeit dahineilten. Das Mädchen spürte Regentropfen auf dem Gesicht. Sie kniff die Augen unter dem Feuerschein der Blitze zusammen, die plötzlich den Horizont überzogen. Instinktiv presste sie sich an die Zauberin, an ihre schwarzen, nach Flieder und Stachelbeeren riechenden Haare.
    »Die Erde, auf der wir einhergehen. Das Feuer, das in ihrem Inneren nicht erlischt. Das Wasser, aus dem alles Leben gekommen ist und ohne das es kein Leben gibt. Die Luft, die wir atmen. Man braucht nur die Hand auszustrecken, um sie zu beherrschen, sie sich dienstbar zu machen. Magie ist überall. Sie ist in der Luft, im Wasser, in der Erde und im Feuer. Und sie ist hinter den Türen, die die Sphärenkonjunktion vor uns verschlossen hat. Von dorther, hinter den verschlossenen Türen hervor, streckt die Magie manchmal die Hand zu uns aus. Nach uns. Du weißt davon, nicht wahr? Du hast die Berührung der Magie schon gespürt, die Berührung der Hand hinter den verschlossenen Türen hervor. Diese Berührung hat dich mit Furcht erfüllt. Solch eine Berührung erfüllt jeden mit Furcht. Denn in jedem von uns sind Chaos und Ordnung, Gut und Böse. Aber das kann man und muss man beherrschen. Das muss man lernen. Und du wirst es lernen, Ciri. Dazu habe ich dich hierhergeführt, zu diesem Stein, der seit unvordenklichen Zeiten über einem Knotenpunkt von Adern steht, in denen die Kraft pulsiert. Berühre ihn.«
    Der Felsblock zitterte, vibrierte, und zusammen mit ihm zitterte und vibrierte die ganze Anhöhe.
    »Die Magie streckt die Hand nach dir aus, Ciri. Nach dir, seltsames Mädchen, Überraschungskind, Kind des Älteren Blutes, des Elfenblutes. Seltsames Mädchen, verstrickt in Bewegung und Veränderung, in Vernichtung und Wiedergeburt. Vorherbestimmt und selbst Vorherbestimmung. Die Magie streckt hinter den verschlossenen Türen hervor die Hand nach dir aus, nach dir, kleines Sandkörnchen im Getriebe der Schicksalsuhr. Nach dir streckt seine Krallen das Chaos aus, das sich noch immer nicht sicher ist, ob du zu seinem Werkzeug werden wirst oder aber zu einem Hindernis für seine Pläne. Was dir das Chaos in deinen Träumen zeigt, ist gerade jene Ungewissheit. Das Chaos fürchtet dich, Kind der Vorherbestimmung. Und es will bewirken, dass du es bist, die Furcht empfindet.«
    Ein Blitz flammte auf, anhaltend grollte der Donner. Ciri erzitterte vor Kälte und Verwunderung.
    »Das Chaos kann dir nicht zeigen, was du wirklich bist. Also zeigt es dir die Zukunft, zeigt dir, was geschehen wird. Es will, dass du dich vor den kommenden Tagen fürchtest, dass die Angst vor dem, was dir und deinen Nächsten widerfahren wird, dich zu lenken beginnt, dass sie dich ganz und gar beherrscht. Darum schickt das Chaos die Träume. Du wirst mir jetzt zeigen, was du in den

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