Das Erbe der Elfen
eine Pflicht jedem Magier und jeder Magierin auferlegt ist. Ihr nehmt die begabten Kinder nicht mehr den Eltern und Vormündern weg. Ihr beobachtet solche Kinder, um sie später im richtigen Moment für Magie zu interessieren, sie dahin zu bringen, dass ...«
»Keine Angst«, unterbrach sie ihn kalt. »Ich werde niemandem etwas von Ciri sagen. Auch nicht dem Kapitel. Warum schaut ihr mich so an?«
»Uns wundert die Leichtigkeit, mit der du erklärst, das Geheimnis bewahren zu wollen«, sagte Eskel ruhig. »Entschuldige, Triss, ich möchte dich nicht kränken, aber was ist mit eurer legendären Loyalität gegenüber dem Rat und dem Kapitel geschehen?«
»Viel ist geschehen. Der Krieg hat vieles verändert. Und die Schlacht um Sodden noch mehr. Ich will euch nicht mit Politik langweilen, und gewisse Probleme und Angelegenheiten sind, entschuldigt, von einem Geheimnis umgeben, das ich nicht verraten darf. Aber ihr könnt mir glauben, in dieser Angelegenheit kann ich sowohl dem Kapitel als auch euch gegenüber loyal sein.«
»So eine doppelte Loyalität« – Geralt schaute ihr zum ersten Mal an diesem Abend in die Augen – »ist eine verteufelt schwierige Sache. Das gelingt kaum jemandem, Triss.«
Die Magierin blickte zu Ciri hin. Das Mädchen saß zusammen mit Coën auf einem Bärenfell in der fernen Ecke des Saales, sie spielten Abklatschen. Das Spiel schien eintönig zu werden, weil beide unglaublich schnell waren – es konnte partout keiner den anderen treffen. Doch offensichtlich störte das beide nicht und verdarb ihnen nicht den Spaß.
»Geralt«, sagte sie. »Als du Ciri dort an der Jaruga gefunden hast, hast du sie mitgenommen. Du hast sie nach Kaer Morhen gebracht, sie vor der Welt versteckt, du willst nicht, dass selbst die diesem Kinde nahestehenden Menschen wissen, dass sie lebt. Du hast das getan, weil etwas, wovon ich nichts weiß, dich überzeugt hat, dass es eine Vorsehung gibt, dass sie uns beherrscht, dass sie uns bei allem, was wir tun, leitet. Ich glaube das auch, habe es immer geglaubt. Wenn die Vorsehung will, dass Ciri Zauberin wird, dann wird sie es. Weder Kapitel noch Rat müssen von ihr wissen, müssen sie nicht beobachten und nicht überreden. Indem ich euer Geheimnis bewahre, werde ich keineswegs dem Kapitel untreu. Aber, wie ihr selbst wisst, gibt es da einen gewissen Haken.«
»Wenn es nur einer wäre«, seufzte Vesemir. »Red, Kindchen.«
»Das Mädchen hat magische Fähigkeiten, und das darf nicht vernachlässigt werden. Es ist zu gefährlich.«
»In welcher Hinsicht?«
»Unkontrollierte Fähigkeiten sind eine Bedrohung. Für die
Quelle
und für die Umgebung. Der Umgebung kann eine
Quelle
auf vielerlei Weise schaden. Sich selbst nur auf eine. Und zwar durch Geisteskrankheit. Am häufigsten Katatonie.«
»Tausend Teufel!«, brach nach einer Weile Lambert das Schweigen. »Ich höre euch zu und denke mir, jemand ist hier schon durchgedreht, und gleich wird er die Umgebung bedrohen. Vorsehung, Quellen, Zauber, Wunder, unglaubliche Dinge ... Übertreibst du nicht, Merigold? Ist das das erste Kind, das in die Festung gebracht worden ist? Geralt hat überhaupt keine Vorsehung gefunden, sondern ein heimatloses und verwaistes Kind. Wir werden diesem Kind den Umgang mit dem Schwert beibringen und es in die Welt entlassen, wie die anderen. Freilich, wir haben in Kaer Morhen noch nie ein Mädchen trainiert. Wir hatten Probleme mit Ciri, wir haben Fehler gemacht, gut, dass du uns darauf hingewiesen hast. Aber übertreib nicht. Sie ist nicht gar so einmalig, dass man vor ihr auf die Knie sinken und die Augen gen Himmel heben muss. Laufen etwa so wenig Kriegerweiber auf der Welt herum? Ich garantiere dir, Merigold, Ciri wird tüchtig und gesund hier weggehen, stark und imstande, sich im Leben zurechtzufinden. Und ich versichere dir, ohne Katatonie und andere Anfälle. Es sei denn, du redest ihr so eine Krankheit ein.«
»Vesemir« – Triss drehte sich im Sessel um –, »sag ihm, er soll den Mund halten, denn er stört.«
»Du tust klug«, erklärte Lambert ruhig, »aber du weißt noch nicht alles. Schau her.«
Er streckte die Hand zum Kaminfeuer hin aus, die Finger sonderbar zusammengelegt. Im Kamin begann es zu fauchen und zu heulen, die Flammen schossen heftig empor, die Glut wurde heller, sprühte Funken. Geralt, Vesemir und Eskel blickten beunruhigt zu Ciri hin, doch das Mädchen beachtete das spektakuläre Feuerwerk nicht.
Triss verschränkte die Arme vor der
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