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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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dass es zum Aufruhr kommt? Die Unruhen wegen des Ladenghettos für Nichtmenschen sind kaum vorbei, und du bist schon auf neue scharf? Außerdem verabscheue ich Gewalt. Mit den Spitzeln werde ich fertig. Du aber, wenn du kannst  ...«
    Er ging mit dem Mund nahe an die Haare des Mädchens heran, flüsterte einen Moment lang. Shani bekam große Augen.
    »Der Hexer? Der richtige Hexer?«
    »Leise, um der Götter willen. Machst du das, Shani?«
    »Klar.« Die Studentin lächelte bereitwillig. »Schon aus Neugier, um aus der Nähe den berühmten  ...«
    »Leise, hab ich gebeten. Und denk daran, zu niemandem ein Wort.«
    »Arztgeheimnis.« Shani lächelte noch hübscher, und Rittersporn bekam wieder Lust, endlich eine Ballade über solche Mädchen wie sie zu verfassen – nicht übermäßig gut aussehend, aber hübsch, solche, von denen man nachts träumt, während man die klassischen Schönheiten nach fünf Minuten vergessen hat.
    »Danke, Shani.«
    »Nicht der Rede wert, Rittersporn. Bis bald. Mach’s gut.«
    Nachdem sie einander, wie es sich gehörte, auf die Wangen geküsst hatten, eilten der Barde und die Stundentin in verschiedene Richtungen davon – sie zum Lehrstuhl hin, er zum Park der Denker.
    Er kam am neuzeitlichen, trübsinnigen Gebäude des Lehrstuhls für Technik vorbei, das unter den Schülern »Deus ex machina« genannt wurde, bog auf die Guildenstern-Brücke ab. Er kam nicht weit. Hinter einer Biegung der Allee, bei einer Blumenrabatte mit der Büste von Nicodemus de Boot, dem ersten Rektor der Akademie, warteten die beiden Individuen. Nach Art aller Spitzel der Welt vermieden sie es, ihm in die Augen zu blicken, und wie alle Spitzel der Welt hatten sie gewöhnliche und nichtssagende Visagen, denen sie einen klugen Ausdruck zu geben versuchten, wodurch sie geisteskranken Affen ähnelten.
    »Grüße von Dijkstra«, sagte einer von den Spitzeln. »Gehen wir.«
    »Gleichfalls«, erwiderte der Barde dreist. »Geht nur.«
    Die Spitzel tauschten Blicke, worauf sie, ohne sich von der Stelle zu rühren, ein obszönes Wort fixierten, das jemand mit Kohle auf den Sockel der Rektorenbüste geschrieben hatte.
    Rittersporn seufzte. »Ich dachte es mir«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Ich werde mich also unweigerlich mit den werten Herren irgendwo hinbegeben müssen? Was hilft’s. Gehen wir also. Ihr voran, ich hinterdrein. Soll in diesem konkreten Fall das Alter der Schönheit den Ehrenplatz in der Formation überlassen.«
     
    Dijkstra, Chef der Geheimdienste König Wisimirs von Redanien, sah nicht wie ein Spion aus. Insbesondere wich er weit von dem Klischee ab, wonach ein Spion klein, dünn, rattenhaft sein und kleine, stechende Augen unter der schwarzen Kapuze hervorblitzen lassen muss. Wie Rittersporn wusste, trug Dijkstra niemals Kapuzen und zog Kleidung in hellen Tönen vor. Er war etwa sieben Fuß groß und wog wahrscheinlich an die zwei Zentner. Wenn er die Arme vor der Brust verschränkte – und das tat er gern  –, sah es aus, als hätten sich zwei Pottwale auf einen Blauwal geworfen. Was Gesichtszüge, Haarfarbe und Teint anging, so erinnerte er an einen frisch gescheuerten Eber. Rittersporn kannte wenige Leute, deren Erscheinungsbild derart täuschend gewesen wäre wie das von Dijkstra. Denn dieser eberähnliche Riese, der den Eindruck eines ewig schläfrigen, aufgedunsenen Trottels machte, verfügte über einen unglaublich lebhaften Verstand. Und über erhebliche Autorität. Eine am Hofe König Wisimirs beliebte Redensart lautete, dass, wenn Dijkstra behaupte, es sei Mittag, während ringsum undurchdringliche Finsternis herrsche, man sich allmählich Sorgen um das Schicksal der Sonne machen müsse.
    Gegenwärtig hatte der Dichter jedoch andere Gründe zur Beunruhigung.
    »Rittersporn«, sprach Dijkstra schläfrig, während er die Pottwale vor dem Blauwal verschränkte. »Du vernagelter Strohkopf. Du Vollidiot. Musst du immer alles vermasseln, was du nur in die Hände nimmst? Könntest du nicht wenigstens einmal im Leben etwas so machen, wie es sich gehört? Mir ist bekannt, dass du nicht selbständig denken kannst. Mir ist bekannt, dass du an die vierzig bist, wie dreißig aussiehst, dir einbildest, du seiest knapp zwanzig, und dich verhältst, als ob du noch keine zehn wärst. In Kenntnis von alledem pflege ich dir präzise Anweisungen zu geben. Ich sage dir, was du zu tun hast, wann du etwas zu tun hast, auf welche Weise. Und regelmäßig habe ich den Eindruck, dass ich zu einer Wand

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