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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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als Worte jemals vermocht hätten auszudrücken, bevor Wulf die Fassung wiedererlangte und nach ihren Armen griff. In Windeseile durchtrennte er die Fesseln, nahm behutsam ihr Gesicht zwischen die Hände und betrachtete sie durch einen Tränenschleier, ehe er sie wie ein Kind an seine Brust drückte.
    »Was hat er dir angetan?«, flüsterte er erstickt und übersäte ihre Stirn mit Küssen. »Was hat er dir nur angetan?«
    Vor Freude schluchzend klammerte sie sich an ihn, presste das von Ortwins Misshandlungen schmerzende Gesicht an seinen Rock und ließ sich von dem überwältigenden Strudel der Gefühle mitreißen.
    Lange Zeit umschlang sie ihn bebend, sog seine schützende Gegenwart in sich auf, bis sie schließlich das Kinn hob und sich ihm entgegenreckte. Als könnte sie damit die furchtbaren Erlebnisse der vergangenen Wochen ungeschehen machen, empfing sie ihn mit einem hungrigen Kuss, den er leidenschaftlich erwiderte. All die Ängste und Sorgen lösten sich in einem süßen Taumel der Glückseligkeit auf, und sie schloss schwindelig die Augen, um sich von der Woge davontragen zu lassen. Zärtlich und fordernd zugleich umtanzten sich ihre Zungen, erkundeten ihre Lippen einander, während all ihre Sinne wiederentdeckten, was sie so lange hatten entbehren müssen.
    Brigitta dachte gerade, sich nie wieder von Wulf lösen zu können, als eine tiefe Stimme ihr Wiedersehen unsanft unterbrach.
    »Wer seid Ihr?«, wollte der Dorfmeier wissen, der – mit seinen Helfern im Schlepptau – drohend auf Wulf zutrat.
    Dieser ließ mit einem unwilligen Stirnrunzeln von Brigitta ab, schob sich schützend vor sie und straffte die Schultern. »Ich bin Wulf von Katzenstein, und dieser Mann dort«, er wies hinter sich, »ist ein in Ulm gesuchter Mörder.«
    Brigitta erstarrte. Von Katzenstein? Mörder? Was um alles in der Welt war geschehen, während sie in Altheim war? Verwirrt führte sie die Fingerspitzen an ihre Lippen, die immer noch zu brennen schienen.
    »Ich nehme ihn als Gefangenen mit in die Stadt, wo er der Wache übergeben wird.« Erstaunt über Wulfs herrischen Ton und sein bestimmtes Auftreten zog sie die Brauen in die Höhe und nahm ihren Geliebten, der die Hand auf den Knauf seines Schwertes gelegt hatte, genauer in Augenschein. Wie vertraut und anders zugleich er ihr in diesem Moment vorkam. Waren seine Schultern tatsächlich so viel breiter geworden? Überhaupt wirkte er älter und reifer, und auch das Selbstbewusstsein, mit dem er dem Meier die Stirn bot, war etwas, das ihr vorher nie an ihm aufgefallen war.
    Der zurechtgewiesene Dorfvorsteher blickte unsicher von dem am Boden liegenden Ortwin zurück zu dem Wappen auf Wulfs Brust und entschied sich mit einer leichten Verneigung, dem Neuankömmling keine Steine in den Weg zu werfen.
    »Wie Ihr wünscht, Herr«, sagte er ehrerbietig und trat den Rückzug an – wohl in der Hoffnung, keine unangenehmen Fragen beantworten zu müssen, die ihn eventuell der Mittäterschaft an einer Entführung überführen könnten.
    Als immer mehr Schaulustige zusammenliefen, fasste Wulf Brigitta leicht am Oberarm, griff mit der anderen Hand nach dem Zügel der Stute und führte diese zu dem aus einer tiefen Kopfwunde blutenden Ortwin. Mithilfe eines Dorfbewohners hievte er den schweren Körper des Steinmetzen auf den Sattel der Stute, nahm dankbar den Strick entgegen, den der Wirt ihm reichte, und zurrte Ortwin an Sattelgurt und Sattelknauf fest. Dann drückte er Brigitta einen letzten, zarten Kuss auf den Mund, bevor er ihr behutsam auf den Rücken des Wallachs half. Nachdem er sich hinter sie geschwungen hatte, befahl er einem der Umstehenden, ihm die Zügel der Stute zu reichen, und legte schützend den Arm um seine Geliebte. Mit einem Zungenschnalzen gab er dem Falben zu verstehen, anzutraben, und so setzte sich der kleine Zug in Bewegung.
    Immer noch benommen vor Glück lehnte Brigitta sich an ihn, ließ sich von ihm umschlingen und genoss seine berauschende Nähe, während sie versuchte, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Sollte es möglich sein, dass Gott endlich ihr Flehen erhört hatte?

Kapitel 55

    Ulm, 10. August 1368

    Einen halben Tag später fand sich der inzwischen aus der Bewusstlosigkeit erwachte Ortwin in der neben dem Rathaus gelegenen Ulmer Wachstube wieder.
    »Schafft ihn ins Franziskanerhospital!«, brummte der an seinem funkelnden Harnisch erkennbare Hauptmann, der sich ein mit ätherischen Ölen getränktes Tuch vor die Nase presste.
    »Meine Leute

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