Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
und fühlte sich trotz der Bedenklichkeit des Zwischenfalles beschwingt. Doch bis dahin würde er alles daran setzen, das Gefühl, das ihn durchströmt hatte, als sie ihren Körper an ihn gepresst hatte, für immer in seinem Herzen einzuschließen!
Kapitel 15
Burg Katzenstein, 10. Juni 1368
»Los!« Mit einem gellenden Pfiff gab der Stallmeister Wulf von Katzensteins den Knechten zu verstehen, die jeweils zu dritt zusammengekoppelten Pferde anzutreiben und über die Zugbrücke zu führen. Knapp fünf Dutzend feurige Vollblüter setzten sich daraufhin mit Wiehern, Schnauben und widerwilligem Stampfen in Bewegung. Wenngleich die ausdruckslose Miene des Burgherrn keinerlei Empfindung verriet, schmerzte ihn der Anblick der Staub aufwirbelnden Hufe mehr als er es sich jemals eingestanden hätte. Zwar hoffte ein Teil von ihm, dass er jedes einzelne der edlen Tiere zu Geld machen würde, doch tief in ihm bohrte ein Stachel der Reue. Mit einem kaum vernehmbaren Laut warf er einen letzten Blick hoch zum sich in rasender Geschwindigkeit bewölkenden Himmel, bevor auch er seinem Rappen die Sporen gab und den leichten Anstieg zur Straße hinaufpreschte. Begleitet von drei weiteren Rittern, vier Knappen, einem Schmied und fünf Stallknechten schlängelte sich der Zug am Katzenbach entlang ins Tal, wo er sich nach Süden wandte, um der Donau folgend auf dem kürzesten Weg nach Ulm zu gelangen. Trotz des großzügig gefassten Zeitrahmens waren erst am vergangenen Abend die letzten Tiere beschlagen und das letzte Zaumzeug ausgebessert worden; und hätte Wulf von Katzenstein nicht aus den Erfahrungen früherer Jahre gelernt, hätte er sich dazu verleiten lassen, den Aufbruch noch einige Tage hinauszuzögern. Da zu dem Markt in der Reichsstadt allerdings Händler und Käufer aus dem ganzen Land anreisten, waren die Plätze auf der vor den Stadtmauern gelegenen Bürgerwiese stets heiß umkämpft. Und auch die zu Wucherpreisen vermieteten Herbergen platzten aus allen Nähten. Weshalb Wulf von Katzenstein vorsorglich befohlen hatte, auf einem Wagen eine Handvoll Zelte und Zeltstangen mitzuführen. Einen Poulun – das weit ausgespannte Prunkzelt der reichen Herren – konnte er sich nicht leisten, sodass er ebenso wie seine Männer in einem einfacheren, Hütte genannten Rundzelt nächtigen würde.
Als er den steil aufragenden Burgfelsen zu seiner Rechten passierte, ließ ihn ein buntes Flattern in seinem Augenwinkel den Blick zu den Zinnen des als Katzenturm bezeichneten Bergfriedes heben. Dort, beinahe dramatisch eingerahmt von der soeben durch ein Wolkenloch brechenden Sonne, winkte ihm Adelheid von Oettingen mit einem roten Tuch zu, das sie wild über dem Kopf hin und her schwenkte. Beinahe hätte er die behandschuhte Hand gehoben, um den Gruß zu erwidern, fing sich jedoch im letzten Moment und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf die Straße. Noch immer konnte er nicht begreifen, wie die vergangene Nacht hatte geschehen können, und obwohl der schale Geschmack der Befremdung inzwischen einem anderen Gefühl gewichen war, wusste er nicht, was er von dem Vorgefallenen halten sollte. Anders als Adelheid, die in ihrer Farbwahl inzwischen zur brennenden Liebe übergegangen war!
Nachdem er sich mit seinen Männern einige Krüge Wein geteilt hatte, hatte er sich gegen die elfte Stunde in seine Gemächer zurückgezogen, wo ein weiterer Krug des würzigen Getränkes auf ihn gewartet hatte. Nur kurz hatte er sich stirnrunzelnd gefragt, welcher seiner Mägde er diese Aufmerksamkeit verdankte, bevor er kurz entschlossen die Wachen in seinem Stockwerk entlassen und auf das Mädchen gewartet hatte. Als auch der letzte Rest Helligkeit einer sternenklaren Nacht gewichen war, hatte er einige Kerzen entzündet, sich entkleidet und auf dem Rücken liegend gewartet, dass sich die Tür zu seiner Schlafkammer öffnete. Was auch keine halbe Stunde später geschehen war. Die leichtfüßige Gestalt, die sich daraufhin in den Raum gestohlen hatte, umflossen weiße Gewänder, die in der leichten, durch das Fenster hereinfächelnden Brise raschelten. Da sein Blick vom Wein getrübt war, hatte er ihr blinzelnd nachgeblickt, als sie von Kerze zu Kerze geschwebt war, um diese mit einem sanften Hauchen auszulöschen, bevor sie sich zu ihm auf die Bettkante gesellt hatte.
Die Erinnerung an das, was dann passiert war, ließ ihn fluchend im Sattel hin und her rutschen. Befremdet von der Schweigsamkeit der Besucherin, hatte er irgendwann im Laufe des
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