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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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mit jedem Schluck weniger schmeckte, bevor er den Kelch auf den Tisch stellte und mit einem Seufzen verkündete: »Mir ist der Spaß vergangen. Ich gehe schlafen.«
    Obwohl Lutz ihn mit gerunzelter Stirn anblickte, verstand der Freund, dass es nicht nur der handgreifliche Streit war, der Wulf die Laune verdorben hatte. Mit einem aufmunternden Lächeln klopfte er ihm auf die Schultern und versetzte tröstend: »Das wird schon wieder.«
    Doch dessen war Wulf sich nicht so sicher. Wie um alles in der Welt sollte sich dieser Schlamassel von selbst aus der Welt schaffen? Er schluckte eine patzige Antwort, verzog gequält die Mundwinkel und drängte sich durch die aufgeregt durcheinanderredenden Männer zum Ausgang. Im Freien angekommen, tat er einige tiefe Atemzüge, um den Aufruhr in seinem Innern zu beruhigen, bevor er sich nach Norden wandte, um noch vor dem Schließen der Tore ins Haus seines Meisters zu schlüpfen. Zwar hatte er die Köchin mit einigen Pfennigen bestochen, ihn heimlich einzulassen, doch war es sicherlich einfacher, wenn er sie nicht aus dem Bett holen musste.
    Er wollte gerade die Bauhütte links liegen lassen, als ihn ein abrupt abgeschnittener Schrei innehalten und in die Dämmerung lauschen ließ. Ein ersticktes Gurgeln wurde begleitet von dem Geräusch zerreißenden Stoffes. Als kurz darauf zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Schläge seinen Verdacht bestätigten, schüttelte er auch den letzten Rest Benommenheit ab. Misstrauisch geworden eilte er auf das Holzlager zu, hinter dessen Umzäunung sich zwei Schemen abzeichneten. Vermutlich wollte sich ein Betrunkener an einer der unzähligen Dirnen der Stadt vergreifen, ohne diese für ihre Dienste zu bezahlen. Eigentlich hätte es ihm egal sein sollen, doch ein tief sitzendes Ehrgefühl ließ nicht zu, dass er sich davonschlich wie ein Dieb in der Nacht.
    Froh darüber, den einen Becher Wein nicht ganz geleert zu haben, straffte er die Schultern und trat in den breiten Durchgang, wo er beinahe über einige umgefallene Gerüststangen gestolpert wäre. Offenbar hatte an dieser Stelle ein erbitterter Kampf stattgefunden. Als sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, wollte ihm das Herz in der Brust erkalten. In einer dem Chor zugewandten Ecke hielt Ortwin ein halb besinnungsloses Mädchen mit der Rechten am Hals gepackt, während er mit der Linken ihr Kleid vom Halsausschnitt bis zum Nabel zerriss. Die vollen, schweren Brüste, die dabei herauspurzelten, wurden augenblicklich von der Flut blonder Locken bedeckt, die dem kleinen Schleier auf dem Kopf des Mädchens entflohen waren.
    »Hör auf, dich zu wehren«, knurrte der betrunkene Geselle gefährlich ruhig und hob erneut die Hand, um sein Opfer zu züchtigen. Doch bevor der Schlag die junge Frau treffen konnte, stürzte sich Wulf mit einem heiseren Wutschrei auf ihn. Die Lähmung, die gedroht hatte, ihn untätig an Ort und Stelle festzunageln, fiel in dem Moment von ihm ab, als Brigitta flehend den Blick hob und er die grenzenlose Furcht in ihren Augen las. Wie ein Wahnsinniger drosch er auf den Rücken des riesenhaften Steinmetzen ein, der mit unheimlicher Geschwindigkeit zu ihm herumwirbelte. Kaum erkannte er seinen Widersacher, verzog sich sein Mund zu einem grausamen Lächeln, das sich verbreiterte, als er Wulf mit einem gut gezielten Hieb die Nase brach und sofort brutal nachsetzte. Während der Schmerz wie ein Dolchstich in Wulfs Gehirn fuhr, tränkte das Blut innerhalb kürzester Zeit sein Hemd, und er spürte, wie die immer schneller aufeinanderfolgenden Schläge ihn zermürbten. Wenn er seinen Gegner nicht bald zu Fall brachte, würde dieser nicht nur ihn töten, sondern vermutlich auch Brigitta, die auf dem Boden zusammengesackt war. Er musste sie beschützen!
    Unter Aufbietung all seiner Konzentration wich er der durch die Luft zischenden Faust des Gesellen aus und duckte sich unter seinem Arm hindurch, sodass er ihm in den Rücken gelangte. Mit der Kraft der Verzweiflung trat er ihm in die Kniekehlen und stürzte sich auf ihn, sobald Ortwin mit einem scheußlich knackenden Geräusch auf dem Boden aufprallte. Im Bruchteil eines Augenblicks schwang er sich rittlings auf die Brust des Gefallenen und prügelte blindlings auf sein Gesicht ein, das bald ebenso blutbesudelt war wie sein eigenes. Als sein Gegner unter ihm erschlaffte, tastete er nach einer der Gerüststangen, zog sie zu sich heran und presste sie quer über die Kehle des heftig keuchenden Steinmetzen.
    »Wage es nicht,

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