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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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raunte Lutz dem Freund zu, dessen angespannte Körperhaltung verriet, dass er Ortwin am liebsten geohrfeigt hätte. Ohne auf ihn zu achten, stemmte Wulf sich von der Bank in die Höhe, sodass er die Sitzenden überragte, und warf erzürnt in den Raum: »Woher nimmst du diese Weisheit?«
    Das aufgekratzte Röhren, mit dem die Versammelten diese Herausforderung quittierten, übertönte das Schlagen der Rathausglocke, welche die neunte Stunde verkündete. Ohne ersichtlichen Grund fühlte sich der junge Mann von den Reden provoziert, und erst als er sich zurück auf die harte Sitzfläche sinken ließ, wurde ihm klar, warum er sich so über Ortwin aufregte. Instinktiv hatte er dessen Beleidigungen auf seine leibliche Mutter bezogen, die von ihrem Gemahl nichts als Unrecht erfahren hatte – glaubte man dem Bericht des Mannes, den er in Donzdorf getroffen hatte.
    »Du bist wohl sauer, dass dir die kleine Brigitta durch die Lappen gegangen ist?«, höhnte ein untersetzter Steinmetz an Ortwin gewandt und verhinderte so eine Antwort auf Wulfs Frage, da der so Herausgeforderte umgehend die blutunterlaufenen Augen auf den blonden Hünen richtete.
    »Halt besser dein Maul, Anselm«, knurrte er gefährlich ruhig und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Kupferbecher. »Oder du bereust, heute aufgestanden zu sein!« »Hör schon auf«, mischte sich ein anderer ein. »Es zerreißt dich doch, dass Meister Gerhard der Glückliche sein wird, der sie bossieren kann!«
    Erneut erstickte das Gelächter eine Antwort, doch selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte das Tosen in Wulfs Ohren alles andere übertönt. Brigitta sollte verheiratet werden?! Der Schock über diese Neuigkeit erschütterte ihn bis ins Mark. Warum hatte sie ihm nichts davon gesagt? Die Frage war so irrational, dass ihm selbst auffiel, wie töricht sie war, doch das änderte nichts an der niederschmetternden Tatsache. Während das Geplänkel an Lautstärke zunahm, lehnte er sich mit einem unterdrückten Stöhnen zurück an die Wand und schloss frustriert die Augen. Wenngleich es jeglicher Logik entbehrte, hatte er tief in seinem Inneren gehofft, sie für sich gewinnen zu können. Zwar war die Begegnung an diesem Abend alles andere als Erfolg versprechend verlaufen, doch hatte er sich eingebildet, hinter der abweisenden Kälte etwas zu entdecken, das zu seinen Gunsten gedeutet werden konnte. Hatte aus ihren Worten nicht die blanke Eifersucht gesprochen? Er vergrub die Finger in seinem Haar und rief sich die Szene in Erinnerung. Das empörte Beben der Nasenflügel und die zauberhafte Röte, die sich über ihre Wangen gelegt hatte! Es war wie ein Tritt in den Bauch.
    Das Poltern einer umfallenden Bank schreckte ihn aus den Gedanken und ließ ihn gerade noch rechtzeitig einem in seine Richtung fliegenden Kelch ausweichen, der mit einem metallenen Scheppern gegen die Wand prallte. Während Wulf mit seinem Schicksal gehadert hatte, hatten Ortwin, der blonde Hüne und ein weiterer kräftig gebauter Steinmetz ein Handgemenge begonnen, sodass sich inzwischen nicht nur diese drei in einem Knäuel aus Armen und Beinen auf dem Boden wälzten. Ein wuchtiger Faustschlag ließ Ortwin die massigen Arme nach oben reißen, um weiteren Schaden zu verhindern, während das Blut aus seiner Nase schoss. Der über ihm kniende Blondschopf wollte gerade nachsetzen, als die Schankwirtin der Trinkstube wie eine Furie dazwischenfuhr, das Handgelenk des Mannes packte und diesen anblaffte: »Schluss damit! Auf der Stelle! Wenn ihr euch prügeln wollt wie die Knaben, dann macht das auf der Straße. In meiner Stube herrscht Frieden!« Ihr fleischiges Gesicht war zu einer Maske des Zornes verzogen. »Wenn es euch nicht genügt, die anderen mit eurer Großmäuligkeit zu belästigen, dann raus!« Damit bekam sie sowohl Ortwin als auch den blonden Hünen unzeremoniös beim Kragen zu fassen und zerrte sie mit ungeahnter Kraft auf die Tür zu, die sie mit dem Fuß aufstieß, um die Streithähne nach draußen zu befördern.
    »Das gilt auch für die anderen!«, fauchte sie drohend, sobald sie sich wieder ihren Gästen zugewandt hatte. »Prügeleien dulde ich hier nicht!« Mit einer Kopfbewegung gab sie ihren beiden Gehilfen zu verstehen, dass sie sie nicht benötigte, bevor sie zurück hinter den Tresen rauschte, um sich mit einem öligen Lächeln an einen gut gekleideten Meister zu wenden und diesem den Becher zu füllen.
    Eine Zeit lang starrte Wulf leer in den rubinrot funkelnden Wein, der ihm

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