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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Liebesspiels ihr Gesicht in den schmalen Streifen Mondlichtes auf dem Kopfkissen gerückt – und war von ihr zurückgezuckt, als habe ihn eine Schlange gebissen. Nicht eine der blutjungen Mägde war es gewesen, die mit einem verzückten Lächeln unter ihm lag, sondern seine eigene Gemahlin! Die Frau, von der er sich den größten Teil seiner Ehe ferngehalten hatte, als litte sie an einer ansteckenden Krankheit. Was dann geschehen war, gab ihm im grellen Licht des Tages noch mehr zu denken. Denn anstatt sie von sich zu stoßen und aus seiner Kammer zu verweisen, hatte er erneut die vollen Lippen geküsst und sich den Liebkosungen hingegeben. Sein Mund verzog sich zu einem reuigen Lächeln. Und es hatte ihm Spaß gemacht! Ihr schlanker und dennoch geschmeidiger Körper hatte sich perfekt an den seinen angepasst, und die seidig schimmernde Haut hatte schon bald den Geruch der Lust angenommen.
    Mit einem Griff zwischen die Beine sorgte er für eine bequemere Sitzposition und schürzte die Lippen. Obschon er sich wie ein Verräter an seiner verstorbenen Geliebten fühlte, gefiel ihm der Gedanke, seine rechtmäßige Gemahlin zu einem Höhepunkt gebracht zu haben, der weit über die Dächer der Festung vernehmbar gewesen sein musste. Das zaghafte Lächeln verbreiterte sich zu einem Schmunzeln, das allerdings sofort von einem dunklen Gedanken vertrieben wurde. Was, wenn er entgegen aller Vorsätze Liebe für sie fand und sie dann ebenso wie Katharina verlor, bevor er diese Liebe richtig begriffen hatte? Ein Klumpen in seiner Kehle ließ ihn schwer schlucken. Was, wenn sich seine Anstrengungen, sie vor allen Gefahren zu beschützen, als ebenso fruchtlos erwiesen wie in der Vergangenheit? Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als er die Zähne aufeinanderbiss. Er musste sein Herz wieder verhärten und Distanz zu ihr wahren! Denn ansonsten lief er Gefahr, erneut alles zu verlieren, nachdem er in einen Strudel der Glückseligkeit eingetaucht war, vor dem alles andere zur Nichtigkeit verblasste. Er umfasste die Zügel fester und atmete tief durch. Doch andererseits würde sich dann die Kälte in seinem Inneren weiter ausdehnen, bis sie früher oder später seine Seele fraß. Die Erkenntnis, die sich in ebendiesem Augenblick herauskristallisierte, ließ ihn frösteln. Seit Beginn seiner Ehe mit Adelheid hatte er sich vor nichts mehr gefürchtet, als sie zu lieben. Er hatte sie zurückgewiesen, um nicht von ihr zurückgewiesen zu werden und hatte sich die Mägde als Ablenkung gesucht, um Adelheid für immer auf Abstand zu halten.
    Eine Reihe reumütiger Erinnerungen durchliefen seinen Geist: Die entsetzliche Hochzeitsnacht, in der er alles Menschenmögliche unternommen hatte, um sich nicht von ihrer hilflosen Unschuld erweichen zu lassen. Die harten Worte, mit denen er ihr immer wieder Schmerz bereitet hatte, um sich mit diesem Schmerz selbst zu schützen. Er beugte sich über die Mähne seines Hengstes und gab ihm die Sporen. Während der feurige Rappe weit ausgreifend auf den bleigrau glänzenden Härtsfeldsee zugaloppierte, traf er eine Entscheidung, die ihm Magenschmerzen bereitete. Er würde abwarten, wie sich die Angelegenheit weiter entwickelte und nicht feige den Schwanz einklemmen. Zu lange war er schon vor sich selbst auf der Flucht. Wer weiß, vielleicht hatte Gott die verzweifelten Gebete seiner Gemahlin erhört und Wulf einen Weg gewiesen, wie auch er endlich Zufriedenheit finden konnte. Wer wusste, was Gott in seiner grenzenlosen Weisheit für ihn und Adelheid vorgesehen hatte? Zwar hatte er schon vor langer Zeit aufgehört, die Wege des Herrn begreifen zu wollen, doch milderte diese neu gewonnene Einsicht den Groll, den er gegen eine aus seiner Sicht grausame Gottheit gehegt hatte. Das erste Mal seit vielen Jahren schlug er ein ernst gemeintes Kreuz vor der Brust und schickte ein kurzes Gebet zum Himmel, während die Landschaft an ihm vorbeiraste. Lange Zeit genoss er das Hämmern der Hufe, das Spiel der mächtigen Muskeln unter sich und das Gefühl zu fliegen, während er sich in immer neuen Vorstellungen erging, was die Zukunft bringen könnte. Erst viel später ließ ihn ein durchdringender Schrei in die Gegenwart zurückkehren.
    Weit vorne, an der Spitze des Zuges, brach in dem Moment, in dem Wulf den Kopf hob, eines der Dreiergespanne aus, um – verfolgt von zwei Stallknechten – aufgeschreckt in Richtung Waldrand davonzujagen. Die Frage nach dem Grund der Panik, die auf die anderen Tiere übergriff,

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