Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
gestammelte Beschreibung vernommen, fiel aller Zorn von ihm ab und kaltes Entsetzen ergriff Besitz von ihm. Als habe ihn die Kraft verlassen, sank der Schwertarm an seiner Seite hinab, bis die Spitze der Waffe den Boden berührte. Einige Momente verharrte er regungslos, bevor er in den Ring der Neugierigen zurücktaumelte. Kein Zweifel! Alter, Haarfarbe, Wuchs und selbst die Augenfarbe stimmten. Es musste sich um seinen und Katharinas Sohn handeln!
Benommen fasste er sich mit der Hand an die mit einem Mal schweißbedeckte Stirn und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Er nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass sich der Helfensteiner wie ein geprügelter Hund in Richtung Ausgang davonmachte, dann versagten ihm die Beine ohne Vorwarnung den Dienst. Haltsuchend griff er hinter sich und stützte sich an einem der groben Holztische ab. Was um alles in der Welt war geschehen?, fragte er sich, während er fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Und warum war es Wulfs Männern nie gelungen, den Jungen ausfindig zu machen? Während sich diese und zahllose andere Gedanken in seinem Kopf jagten, keimte ein Entschluss in ihm auf, der ihm einen Teil seiner Stärke zurückgab. Er würde Eberhard von Württemberg aufsuchen! Gab es nicht immer die Möglichkeit – ganz egal, wie schwer das Verbrechen war – das Leben eines Adeligen freizukaufen? Ganz gleich, wie viel Lösegeld der Graf für seinen Sohn verlangen mochte, Wulf würde jede Summe bezahlen. Mit bebenden Lippen dankte er dem Herrn für den erfolgreichen Verkauf seiner Zucht, da dieser es ihm ermöglichen würde, genügend Geld in die Waagschale zu werfen. Sollte der Betrag, den Eberhard von ihm forderte, zu hoch sein, würde der Katzensteiner ohne mit der Wimper zu zucken auch die Handvoll Vollblutpferde verkaufen, mit denen er sich eine neue Zucht hatte aufbauen wollen. Was nutzte der größte Reichtum …?! Zitternd schlug er ein Kreuz vor der Brust und steuerte ebenfalls auf den Ausgang zu – ohne auf die fragenden Blicke der Anwesenden zu achten, die ihm unverhohlen hinterhergafften.
Wie in Trance hastete er über eine der Koppeln, bahnte sich einen Weg durch die letzten Kaufwilligen und steuerte auf den prunkvollen Ring aus Zelten zu, über dem das Banner des Grafen wehte. Allein der Anblick des verhassten Wappens ließ die Wut in ihm erneut aufschäumen, doch sobald er sich den schwer gepanzerten Soldaten näherte, mahnte er sich zur Ruhe.
»Ich muss Graf Eberhard sprechen«, forderte er – um eine herrische Miene bemüht. »Er erwartet mich«, log er, als einer der Männer Anstalten machte, ihn abzuweisen. »Sagt ihm, es handelt sich um seine verstorbene Schwägerin.«
Mit neugierig nach oben gezogenen Augenbrauen musterte der größere der beiden den Ritter, bevor er einen jungen Burschen herbeiwinkte und diesem auftrug, dem Grafen den Besucher zu melden. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Knappe mit vier Rittern im Schlepptau zurückkehrte, die Wulf höflich, aber unmissverständlich in ihre Mitte nahmen, bevor sie ihn um seine Waffen baten.
»Ihr werdet verstehen, dass Graf Eberhard seit dem Vorfall in Wildbad vorsichtig geworden ist«, beschied einer der Männer glatt und reichte Wulfs Schwert an seinen Nachbarn weiter. »Er hat wenig Vertrauen zur schwäbischen Ritterschaft.« Damit forderte er ihn mit einer höflichen Geste auf, ihm zu folgen. Als sie nach einiger Zeit an einem prachtvoll bestickten Poulun ankamen, verschwand der Anführer im Inneren, bevor er nach einem kurzen, aber heftigen Austausch wieder auftauchte und Wulf von Katzenstein hereinwinkte.
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»Was zum Henker sollte mich davon abhalten, Euch und Eure Brut vom Angesicht der Erde zu tilgen!?«
Verschwommen drangen die scheinbar geflüsterten Worte an Wulf Steinhauers Ohr, als dieser mit quälendem Durst aus einem ohnmachtsähnlichen Schlaf erwachte. Einige Augenblicke wusste er nichts mit dem grauenvollen Schmerz in seinen Schultergelenken anzufangen, bevor ihn die Erinnerung an das Vorgefallene mit voller Wucht traf. Stöhnend versuchte er, sich ein wenig aufzurichten, bereute dieses Vorhaben jedoch umgehend, da es sich anfühlte als risse ihn jemand in Stücke. Gierig rang er nach Luft, doch die Hitze in dem Zelt, in das man ihn geschafft hatte, war so überwältigend, dass ihn das Gefühl übermannte, ersticken zu müssen. Das heisere Wimmern verhallte ungehört, und da die hämmernden Schmerzen drohten, ihm erneut das Bewusstsein zu rauben, ließ er seine Glieder wieder
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