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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ausfiel, hing ganz davon ab, was sein Gefühl ihm bis dahin riet. Denn auch wenn all seine Entscheidungen wohlüberlegt waren, gab letztendlich doch immer sein Instinkt den Ausschlag.

Kapitel 24

    Burg Katzenstein, 25. Juni 1368

    Sehnsuchtsvoll suchte Adelheid von Oettingen den Horizont nach einem Hinweis auf die Heimkehr ihres Gemahls ab. Auch wenn sie wusste, dass der Markt erst gestern zu Ende gegangen war, konnte sie seine Rückkehr kaum erwarten. Wie sehr sich die Dinge verändert hatten! Ohne auf die neugierigen Blicke der Wachen zu achten, schlenderte sie zur nächsten Scharte des Wehrganges, um sicherzugehen, dass sie keinen Zoll der staubigen Straße ausließ. Froh darüber, durch das Schindeldach vor der stechenden Sonne geschützt zu sein, tastete sie die flimmernden Luftschwaden mit den Augen nach einem Lebenszeichen ab. In dem an die Wehrmauer anschließenden Stallgebäude schnaubten die Zugtiere, und nur das vereinzelte Quietschen einer Tür oder das gedämpfte Klappern von Töpfen unterbrach den mittäglichen Frieden. Bald würde das noch frisch wirkende Grün der Bäume und Büsche dem müderen Farbton des Sommers weichen, der mit Riesenschritten Einzug gehalten hatte. Die heftigen, beinahe täglichen Frühlingsgewitter gehörten seit drei Tagen der Vergangenheit an, und wäre da nicht das vom Hagel zertrümmerte Vordach des Palas gewesen, hätte auch Adelheid die Launen der Witterung bereits vergessen.
    Ein seliges Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie an die Liebesnacht mit Wulf zurückdachte. Wie in einem süßen Rausch hatte sie seine Berührung genossen und sich dem Taumel hingegeben, der sie schwindelig vor Glück zurückgelassen hatte. Manchmal, wenn sie sich nur genug anstrengte, vermeinte sie, seinen starken, männlichen Duft zu riechen, der sie jedes Mal aufs Neue mit Verlangen erfüllte. Wie vollkommen anders diese letzte leidenschaftliche Begegnung gewesen war! Sie atmete leise seufzend aus und stützte die Handflächen auf den warmen Stein der Zinnen. Anders als bei den vorigen Malen, in denen Wulf mehr schlecht als recht seine ehelichen Pflichten erfüllt hatte, hatte sie dieses Mal das Gefühl gehabt, begehrt zu werden von dem Mann, dessen Liebe sie sich mehr wünschte als alles andere.
    Geistesabwesend folgte sie dem launischen Flug eines Pfauenauges, das sich schließlich mit auf und ab wippenden Flügeln dicht vor ihr niederließ. Behutsam, um den farbenprächtigen Schmetterling nicht zu erschrecken, zog sie die Linke zurück, um nach der in ihrer Fucke verborgenen Flasche mit dem Liebestrank zu tasten. Als ihre Fingerkuppen das kühle Glas erspürten, streichelte sie beinahe zärtlich darüber. Sobald Wulf von seiner Reise zurückgekehrt war, würde sie dafür sorgen, dass er jeden Abend einen Kelch Wein trank, den sie mit einigen Tropfen des kostbaren Elixiers versehen würde. Vorsichtshalber hatte sie die alte, heilkundige Frau damit beauftragt, ihr ein weiteres Fläschchen des Gebräus herzustellen, da sie auf keinen Fall das Risiko eingehen wollte, die neu gewonnene Leidenschaft ihres Gatten wieder zu verlieren.
    Laute Stimmen rissen sie aus ihrer Versenkung. Nachdem sie einen letzten Blick in Richtung Härtsfeldsee geschickt hatte, wandte sie sich von der Aussicht ab, raffte die Röcke und stieg die schmale Treppe in den Hof hinab. Dort tauchten soeben der Waffenmeister Bolko und einer ihrer Brüder auf, der sich zweifelsohne nach den Fortschritten seines Sohnes Friko erkundigt hatte, der mit Wulf in Ulm war.
    »Was meint Ihr damit?«, polterte Ludwig von Oettingen und brachte den vor ihm herstürmenden Bolko mit einem harten Griff um den Arm zum Stehen.
    Dieser fuhr mit gefletschten Zähnen zu dem zierlichen Grafen herum und spannte die mächtigen Muskeln. »Ich meine damit genau das, was ich gesagt habe«, stieß der Waffenmeister mit rauer Stimme hervor. »Ich weiß nicht, ob ich jemals einen Ritter aus ihm machen kann.« Als Adelheids Bruder ihm ins Wort fallen wollte, hob er mit einem resignierten Schnaufen die Hand. »Er ist ein hervorragender Kämpfer, keine Frage. Aber es gehört mehr zu einem Ritter als ein geschickter Schwertarm oder Ausdauer im Zweikampf.«
    Die sich deutlich auf dem Gesicht des Grafen abzeichnenden Gefühle veranlassten Adelheid, sich nach rechts zu wenden und ohne von den Männern bemerkt zu werden in Richtung Kapellenbau zu huschen. Dort angekommen drückte sie sich an das hölzerne Tor, das den Zuweg von der Vorburg sicherte, und

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