Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Biss auf die Unterlippe hob er den Kopf so weit, dass er mit dem Kinn auf Ortwin deuten konnte, den der Riese inzwischen freigegeben hatte. »Herr!«
    Doch der blonde Soldat zuckte lediglich amüsiert die Schultern und bedachte Ortwin mit einem desinteressierten Blick. »Das ist Sache der Stadt. Für solche Lappalien interessiert sich unser Herr nicht.«
    Sein Verstand hatte die Bedeutung dieser Worte noch nicht verarbeitet, als ihm sein Peiniger einen Stoß in den Rücken versetzte, der dafür sorgte, dass Wulf nach vorne stolperte. Eingekeilt zwischen zwei bis an die Zähne bewaffneten Soldaten wurde er die Uferböschung hinaufbugsiert. Das Letzte, was er sah, bevor sie ihn in Richtung Marktgetümmel trieben, war Ortwins zwar konsternierte, aber auch schadenfrohe Visage.

Kapitel 22

    Ulm, 21. Juni 1368

    Die Lebendigkeit, mit der immer wieder die Bilder der Sünde vor Brigittas innerem Auge auftauchten, trieben ihr die Hitze in die Wangen. Als hätten Wulfs Fingerspitzen eine brennende Spur auf ihrer Haut hinterlassen, durchliefen sie von Zeit zu Zeit solch heftige Stiche der Lust, dass sie nur unter Aufbietung all ihrer Selbstbeherrschung einen eindeutigen Laut unterdrückte. Seit dem berauschenden Liebesspiel schien ihr Körper anderen Gesetzmäßigkeiten zu gehorchen, und nicht nur das Pochen zwischen ihren Beinen verriet ihr, dass sie in einen neuen Abschnitt ihres Lebens eingetreten war. Beinahe schien es, als habe Wulfs Berührung etwas in ihr befreit, von dem sie bisher nicht gewusst hatte, dass es existierte.
    Um die Röte vor den wachsamen Augen ihrer Mutter zu verbergen, beugte sie den Kopf tiefer über ihre Handarbeit und bemühte sich, regelmäßig zu atmen. Da das Licht des Tages bereits schwand, hatte Anna von Ensingen sämtliche Öllampen und Kerzenleuchter entzündet, sodass der flackernde Schein die Stube erhellte. Mit niedergeschlagenem Blick und unsicheren Händen zog Brigitta den grellgelben Faden durch das Blütenblatt auf einer der Hauben, die sie schon bald als verheiratete Frau ausweisen würden. Wenn Wulf doch endlich Nachricht senden würde, in welcher Herberge sie ihn finden konnte!, dachte sie bange und schielte heimlich nach dem Stock, den ihr Vater an diesem Morgen demonstrativ neben den Kachelofen der Stube gestellt hatte.
    »Und wenn ich dir Gehorsam einprügeln muss«, hatte er verbissen gedroht, »du wirst deinem Bräutigam bei seinen Besuchen mit ausgesuchter Höflichkeit begegnen!« Als er den Trotz in Brigittas Blick gelesen hatte, hatte er die etwa fingerdicke Birkenrute hinter dem Rücken hervorgezogen und in der Hand gewogen. »Glaube ja nicht, dass mich irgendetwas davon abhalten könnte.« Damit war er aus dem Raum gestürmt und hatte Brigitta mit ihrer betretenen Mutter allein gelassen. Doch diese Drohung bereitete ihr nicht halb so viel Magenschmerzen wie die Angst um den Geliebten.
    Wenn Wulf nur nichts zugestoßen war! Die Anspannung, die sich seit dem Abschied am vergangenen Tag in ihr aufgestaut hatte, war inzwischen beinahe unerträglich. Wenn sie nicht bald Gewissheit erhielt, dass er in der Auseinandersetzung mit Ortwin die Oberhand gewonnen hatte, würde sie den Verstand verlieren! Allein die Vorstellung, dass Ortwin Wulf etwas angetan haben könnte, schnürte ihr die Kehle zu und verursachte würgende Übelkeit.
    Irgendetwas an ihrer Haltung musste die Aufmerksamkeit ihrer Mutter erregt haben, da diese beunruhigt fragte: »Ist dir nicht gut?« In Annas braunen Augen, die eine Nuance heller waren als die ihrer Tochter, lag eine Mischung aus Sorge, Mitgefühl und Furcht. »Es ist nichts«, log Brigitta gezwungen ruhig und verzog den Mund zu einem unehrlichen Lächeln. »All die Aufregung …« Sie ließ den Satz unvollendet, da sie ebenso wie ihre Mutter wusste, dass seit ihrer Verlobung keine Ehrlichkeit mehr zwischen ihnen möglich war. Was immer sie Anna von Ensingen anvertraute, würde diese aus Pflichtgefühl ihrem Gemahl zutragen. Und dieses Risiko würde Brigitta auf keinen Fall in Kauf nehmen.
    Das Eintreten der jüngsten Magd des Hauses ersparte ihr weitere Lügen. »Ein Besucher«, meldete diese schüchtern, und ohne Vorwarnung machte Brigittas Herz einen Sprung. Die Nachricht! Sicherlich hatte Wulf einen Boten beauftragt, sie aufzusuchen. Während sich ein leichter Schweißfilm auf ihre Oberlippe legte, zwang sie sich dazu, sittsam auf ihrem Platz zu verharren. Doch noch bevor der Schatten des Besuchers auf sie fiel, zerschmetterte die sie

Weitere Kostenlose Bücher