Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
Schulter. »Komm, Schwager, lass uns einen Krug Bier in der Trinkstube teilen!«
Bevor der überrumpelte junge Mann etwas erwidern konnte, hatte Ortwin ihn an den Schultern herumgedreht und zurück zur Treppe geschoben. Einen Augenblick dachte Brigitta, er würde wortlos verschwinden, doch kaum hatte Matthäus den Fuß auf die erste Treppenstufe gesetzt, wandte Ortwin sich noch einmal zu ihr um und bedachte sie mit einem Blick, der vor Hohn triefte. »Wir sehen uns«, brummte er und zog die Tür hinter sich zu.
Kapitel 23
Ulm, 23. Juni 1368
»Wenn ich es Euch doch sage«, lallte der mehr als nur angeheiterte Ritter, dessen Wappenrock ein silberner Elefant zierte, bevor er dem Wirt des Trinkzeltes erneut seinen Becher hinhielt. »Meine Schwester war eine Schlampe! Ohne Ehre. Wahrscheinlich hat sie es mit jedem getrieben, aber dieses eine Mal war sie unvorsichtig.«
Wulf von Katzensteins Fäuste zuckten, aber wenn er mehr aus diesem Säufer herauskitzeln wollte, musste er an sich halten. »Woher habt Ihr diese Information?«, fragte er mühsam beherrscht und gab dem Wirt mit einem Wink zu verstehen, etwas von dem Bernewyn, dem teuren Branntwein, unter den Wein des Ritters zu mischen.
Der griff gierig nach dem Kelch, sobald dieser erneut bis zum Rand gefüllt war, und setzte ihn an die aufgeworfenen Lippen. Sein Adamsapfel hüpfte, als er den feurigen Trunk in großen Schlucken hinabzwang. Ein guter Teil des Weins troff an seinem Kinn hinab, fing sich in dem lächerlichen Versuch eines Kinnbärtchens und befleckte die teure Schecke. »War selbst dabei!«, rief er schließlich aus und knallte das Zinngefäß auf den Holztisch, bevor er mit einem Rülpsen vornüberkippte und das glühende Gesicht in den Armen vergrub.
Einige vor Zorn stockende Atemzüge lang rang Wulf mit sich, ob er den Wurm von seinem Schemel reißen und zum Zweikampf fordern sollte; doch da er immer noch nicht alles in Erfahrung gebracht hatte, ließ er sich schwer atmend auf eine Bank sinken. Vergessen waren die gemischten Gefühle, mit denen er an die Rückkehr nach Katzenstein gedacht hatte; verdrängt die Freude über das an diesem Tag abgeschlossene Geschäft mit einem wohlhabenden Adeligen aus Reichsitalien, dem er einen Löwenanteil seiner Zucht verkauft hatte.
Wenn es stimmte, was dieser ekelhafte Säufer vor allen geprahlt hatte, dann war Katharina von Württembergs tot geglaubter Sohn in den Händen des Grafen Eberhard. Der ihn aufgrund einer fadenscheinigen Anklage wegen Mordes hinrichten lassen wollte!
»Wacht auf!« Derb rüttelte er die Schulter des leise schnarchenden Ritters, der unwillig nach dem Störenfried schlug.
»Lasst mich in Ruhe«, murmelte das Weinfass mit einem Blinzeln, bevor es Anstalten machte, wieder einzunicken. Wulf platzte der Kragen. Ein Laut, der dem Knurren eines Wolfes glich, begleitete den kraftvollen Sprung, der die Bank, auf der er gesessen hatte, zu Boden schickte. Er packte den Kerl und versetzte ihm einen heftigen Schlag in den fetten Bauch. Das Ganze geschah so schnell, dass die Umstehenden erst begriffen, was geschah, als der Helfensteiner Ritter mit einem hässlichen Laut gegen eine der mächtigen Zeltstangen prallte. Würgend ging dieser in die Knie und übergab sich vor die Füße seines Angreifers, der ihm jedoch ohne zu zögern das Schwert an die Kehle setzte. »Wenn Ihr mir nicht augenblicklich alles sagt, was Ihr wisst, sorge ich dafür, dass Ihr an Eurem Blutgeld erstickt!« Sein Brustkorb hob und senkte sich krampfhaft. Ohne auf den erneuten Schwall zu achten, der ihm die Stiefel bespritzte, rammte er dem Ritter das Heft der Waffe gegen den Kehlkopf und zwang ihn damit zurück auf die Beine. Obschon sich inzwischen ein Ring Schaulustiger um die beiden Männer gebildet hatte, blieb Wulfs Aufmerksamkeit fest auf den nach Luft ringenden Helfensteiner gerichtet.
»Was liegt Euch denn schon daran?«, stieß dieser schließlich beinahe trotzig hervor und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund, während seine kleinen Augen Hilfe suchend hin und her zuckten. »Es ist doch der Bastard meiner Schwester, der …« Er ließ den Satz unvollendet und kniff die Augen zusammen. Verstehen schlich in seinen Blick, vermischte sich jedoch umgehend mit nackter Furcht, als er erkannte, welch kapitalen Fehler er begangen hatte. »Ihr seid …«
Wulf starrte ihn wütend an, ohne die zwischen ihnen schwebende Frage zu beantworten. »Wie sieht er aus?«, brauste er stattdessen auf, doch kaum hatte er die
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