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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Zahllose Wüstungen – verlassene Dörfer und brachliegende Felder – hatten sie bereits fürchten lassen, auch an diesem Tag ohne Mittagsmahlzeit auskommen zu müssen, als Clementine den kleinen Flecken am Horizont entdeckt hatte. Da er nur etwa zwei Meilen von ihrem Weg entfernt lag, hatte Thomas eingewilligt, an das Mitleid der Bewohner zu appellieren, die allerdings anders auf ihre Leprakleidung reagiert hatten als erwartet.
    Vorsichtig massierte Brigitta ihren stechenden Knöchel, der mit jeder Minute weiter anzuschwellen schien. Offenbar hatten in der vergangenen Woche mehrere Hagelstürme beinahe die gesamte Ernte des Dorfes vernichtet, was dazu geführt hatte, dass die Bauern in den Reisenden willkommene Sündenböcke gesehen hatten. Noch immer steckte Brigitta die Furcht in den Gliedern. Nicht auszudenken, wenn einer der Steine sie getroffen hätte!
    »Ich hoffe nur, dass es in Altheim nicht genauso schlecht um die Ernte steht«, las Thomas ihre Gedanken und legte die Stirn in sorgenvolle Falten. »Denn dann weiß ich nicht, ob wir auf die Hilfe meines Vaters zählen können.« Als Clementine erschrocken die Hand vor den Mund schlug, schwächte er seine Bedenken hastig ab: »Als Kind habe ich oft erlebt, dass kaum eine Meile weiter Sonnenschein herrschte, während bei uns die Welt unterging. Es ist also gut möglich, dass in Altheim alles zum Besten bestellt ist.« Clementine lehnte sich schutzsuchend an seine Brust. Wehmütig erinnerte Brigitta sich an Wulfs tröstende Nähe, doch bevor erneut all die furchtbaren Ängste ihr Haupt heben konnten, schluckte sie tapfer den Kloß in ihrem Hals und rappelte sich auf.
    »Wir sollten zusehen, dass wir vor Einbruch der Dämmerung dort ankommen«, sagte Thomas, der es ihr gleichtat. »Ich habe keine Lust, noch eine Nacht auf dem Boden zu schlafen!« Seine grünen Augen funkelten kampfeslustig, als er seinen Stab fester umklammerte. »Ganz abgesehen von den Dieben und Wegelagerern, die hier angeblich ihr Unwesen treiben.«
    Brigitta erbleichte. Wegelagerer? Die Haare in ihrem Nacken richteten sich auf; und ehe sie wusste, was sie tat, hatte sie sich gebückt, um einen lächerlich dürren Ast aufzuheben, der jedoch das Beste war, das sie auf die Schnelle entdecken konnte. Skeptisch wog sie ihn in der Hand, bevor sie Thomas und Clementine hinterherhinkte. Besser als gar nichts!, dachte sie und humpelte so schnell sie konnte, um die anderen nicht zu verlieren.
    Es dauerte vier lange Stunden, in denen sie immer wieder zusammenschraken, sich vor einer Rotte Wildschweine verstecken und mehr als einmal die Richtung wechseln mussten, bis sich endlich der Wald vor ihnen lichtete. Die Sonne war bereits hinter die umliegenden Hügel abgetaucht, als sie auf eine flach abfallende Wiese traten, auf der Kühe, Schafe und Ziegen friedlich Gras zupften. So weit das Auge reichte, erstreckte sich eine Hochebene, die am Horizont von einem bewaldeten Hügel abgeschlossen wurde, an dessen Fuß sich eine Ansiedlung schmiegte.
    »Wir sind da!«, rief Thomas freudig aus und schlang die Arme um Clementine, die erleichtert auflachte.
    »Endlich«, murmelte sie und erwiderte seinen Kuss mit solcher Leidenschaft, dass Brigitta beschämt zu Boden blickte. Wie glücklich die beiden waren!
    Sie seufzte leise und ermutigte sich mit dem Gedanken, dass ihre Ankunft in Altheim bedeutete, dass Thomas sein Versprechen wahr machen und einen Knecht nach Ulm schicken würde. Dann würde sie sicherlich bald erfahren, ob Clementines Vermutung stimmte und Ortwin sie belogen hatte. Mechanisch umklammerte sie das Kreuz um ihren Hals und betete wohl zum tausendsten Mal, dass ihre Schwester recht behielt. Denn andernfalls wusste sie nicht, wie sie weiterleben sollte!
    »Kommt!« Mit federnden Schritten eilte Thomas ihnen voran über die zur Allmende – dem Gemeinschaftsbesitz der Bauern – zählenden Weiden, half ihnen, die Zäune zu überwinden und winkte einigen Kindern zu, die mit bloßem Oberkörper Unkraut zupften. Tatsächlich schien das Unwetter diese Gegend verschont zu haben, da nicht nur die Wintergerste, sondern auch der Weizen golden leuchtete. Rote und blaue Farbtupfer verrieten, dass Mohn und Kornblumen zwischen den Ähren genauso gut gediehen wie das Getreide selbst.
    Staunend folgte Brigitta Thomas’ Erklärung, als dieser die Aufteilung des Ackerlandes erläuterte. »Ein Großteil des Landes ist Eigentum des Klosters Elchingen«, sagte er. »Alle Abgaben der Hörigen wie Feldzehnt, Blutzehnt,

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