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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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merkwürdigerweise Trost, obwohl er sich immer öfter und immer sehnlicher wünschte, sie gekannt zu haben. Zu deutlich war die Liebe, die sein Vater für sie empfunden hatte, auf dessen Gesicht zu lesen gewesen, als er Wulf von ihr erzählt hatte.
    Er senkte den Kopf, um seine Gedanken vor den zurückkehrenden Reitern zu verbergen. Denn auf keinen Fall wollte er außer als ungeschliffener Tollpatsch noch als heulender Weichling gelten! Er holte tief Luft. Wenngleich er keine Worte für das Glück fand, das ihn nicht nur vor einem furchtbaren Tod bewahrt, sondern ihm überdies seinen Vater zurückgegeben hatte, war er hin und her gerissen zwischen Freude und immer heftiger drückenden Schuldgefühlen. Einerseits hatte er sich die erste Begegnung mit seinem leiblichen Vater gewiss nicht so vorgestellt – was dafür sorgte, dass er sich mit Selbstvorwürfen der Undankbarkeit quälte. Und andererseits nagte die Sorge um Brigitta mit solcher Macht an ihm, dass er die Gunst des Schicksals immer öfter infrage stellte. Auch wenn sein Vater ihm mit drastischer Deutlichkeit klargemacht hatte, dass eine Rückkehr nach Ulm nicht infrage kam, hatte Wulf ihn bis zu ihrem Aufbruch gedrängt, einen Boten in die Stadt zu schicken, um Brigitta Nachricht zukommen zu lassen. Als der Ritter endlich eingewilligt hatte, war es zu spät gewesen, da der Zug die Bürgerwiese vor der Rückkehr des Mannes verlassen hatte. Wulf presste die Zähne aufeinander. Und noch immer hatte der Bote sie nicht eingeholt!
    »Warum bist du nicht mit uns gekommen?« Die Stimme des vierzehnjährigen Johann von Falkenstein unterbrach sein Brüten. Die Wangen des rothaarigen Knappen glühten erhitzt, und die blauen Augen funkelten voller Übermut. Spielerisch, als koste es nicht ungeheuerlich viel Geschick, dirigierte er seine tänzelnde Stute neben Wulfs Wallach und grinste zu ihm auf.
    »Weil er nicht reiten kann!« Die höhnischen Worte waren kaum vernehmbar, doch das erschrockene Einatmen eines strohblonden, auf einem Fuchswallach thronenden Knaben bestätigte Wulf, dass er sich nicht verhört hatte. Eine steile Falte grub sich zwischen die Brauen Brunos von Hürben, während er sich kopfschüttelnd neben Johann einreihte. Die anderen beiden Knappen, Friko von Oettingen und Hartmann von Grafeneck, verzogen spöttisch die Münder und ließen sich zurückfallen, bis sie außer Hörweite waren.
    »Er meint es nicht so«, wiegelte Bruno ab, doch trotz des aufmunternden Lächelns, das die Worte begleitete, hörte Wulf die Lahmheit der Lüge.
    »Was hat er gegen mich?«, fragte er deshalb, doch sowohl Johann als auch Bruno zuckten mit den Schultern.
    »Vermutlich sind die beiden sauer, dass sie jetzt nicht mehr die ältesten Knappen sind«, mutmaßte Johann, dessen kleine, zähe Gestalt das genaue Gegenteil von Brunos hoch aufgeschossenem, schlaksigem Körper war.
    »Was hat das denn mit mir zu tun?«, fragte Wulf verdutzt und verzog das Gesicht, als die beiden in schallendes Gelächter ausbrachen.
    »Du bist der Sohn eines Ritters«, erklärte Johann schließlich feixend. »Was bedeutet, dass du selbst zum Ritter ausgebildet wirst. Und da du ein bisschen zu alt bist, um als Page anzufangen, wird dich unser Waffenmeister sofort wie einen Knappen behandeln.«
    Damit hatte Wulf nicht gerechnet. Nur mit Mühe gelang es ihm, einen Ausruf zu unterdrücken, dessen Grund sicherlich keiner der beiden Knaben verstanden hätte. Ritter! Wie in drei Teufels Namen sollte er das anstellen?! Allein der Gedanke daran, jemanden töten zu müssen, verursachte ihm ein schwaches Gefühl in der Magengegend. Außerdem konnte er weder reiten noch hatte er jemals eine Waffe geführt. Seine Waffen waren Spitzeisen und Klöpfel. Sein Handwerk war das Erschaffen von steinernen Kunstwerken, nicht das Abschlachten von Menschen.
    Er schluckte trocken und gab vor, dem Geplapper der beiden zuzuhören. Während sich ihre Stimmen mit dem Klappern der Hufe und dem Quietschen der Karrenräder vermischten, keimten erste Zweifel in ihm auf, ob er den Erwartungen seines Vaters würde gerecht werden können. Was, wenn er dem Bild, das sich der Ritter von ihm erschaffen hatte, nicht entsprach? Und was, wenn Wulf von Katzenstein beschloss, dass er seines Bastards überdrüssig war? Hatte er nicht am Rande eine Gemahlin erwähnt? Behutsam verlagerte der junge Mann das Gewicht, um sein Gesäß zu entlasten. Was, wenn diese dem Ritter einen ehelichen Sohn gebar? Diese und unzählige weitere Fragen ließen

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