Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
etwas davon preisgegeben, wenn die Orks mich gefoltert hätten«, behauptete er dann. »B evor ich also Dinge sage, die ich nicht sagen darf, will ich meinerseits erst einmal wissen, mit wem ich es zu tun habe. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Ihr mir das Leben gerettet habt.«
»I ch bin Lirandil der Fährtensucher«, erklärte der Elb.
»V on Euch habe ich gehört«, sagte der Nomran-Kar. »I m Hofstaat des Waldkönigs wird ehrlich gesagt sogar ziemlich viel über Euch und Eure Diplomatie geredet. Und wer sind die anderen?«
Lirandil stellte sie Nomran-Kar der Reihe nach vor.
Bei Brogandas und Whuon umwölkte sich die Stirn des Libellenreiters etwas. Er schien nicht so recht zu wissen, was er von den beiden halten sollte. Zalea und Borro waren ihm wohl ziemlich gleichgültig. Halblinge eben, die man nicht weiter zu beachten brauchte, so schien er zu denken.
Aber Arvan gegenüber war er sehr freundlich– und wie sich herausstellte, war das bei Weitem nicht nur der Tatsache geschuldet, dass dessen mutiges Eingreifen ihn davor bewahrt hatte, von den Orks gefoltert zu werden oder ihnen gar als lebender Proviant während ihres weiteren Vernichtungszugs in der Dichtwaldmark zu dienen.
»A rvan?«, vergewisserte sich Nomran-Kar. »A rvan Aradis, der von Halblingen aufgezogene Mensch, der in der Schlacht an der Anhöhe der drei Länder den siebenarmigen Zarton erschlug und es ablehnte, sich als Hochkönig erheben zu lassen?«
Arvan wurde etwas verlegen.
»N un, was soll ich dazu… Also, ich meine…«
Zalea gab ihm einen leichten Stoß. »N atürlich ist er es«, sagte sie.
»W elch eine Ehre für mich, den größten Held von Athranor kennenzulernen!«
»N a ja, das ist vielleicht leicht übertrieben«, antwortete Arvan.
»W enn nur die Hälfte von dem wahr ist, was man über dich erzählt, Arvan Aradis, dann ist das keineswegs übertrieben«, widersprach Nomran-Kar. »W enige haben in so jungen Jahren schon so viel Ruhm erworben. Ihr werdet sehen, selbst in Pandanor erzählt man schon von deinen Taten. Für viele sind sie so etwas wie ein kleiner Hoffnungsschimmer…« Nomran-Kar seufzte, und sein Gesicht bekam einen finsteren Zug. »V iel Anlass zur Hoffnung gibt es ja auch leider nicht.«
»I hr kommt gerade aus Pandanor?«, hakte Lirandil jetzt nach.
Der Libellenreiter nickte. »J a. Und ich kann Euch nur sagen: Es sieht sehr düster aus. Die Orks sind überall. Ein Heer, das nur aus Wolfsmenschen besteht, hat Sepa, die alte Hauptstadt von Rasal am pandanorischen Grenzfluss, dem Erdboden gleichgemacht. Man sieht nur noch rauchende Ruinen. Die etwas flussaufwärts gelegene Burg Sy fiel schon vor einiger Zeit. Und inzwischen haben die Heere der Orks und Wolfsmenschen bereits die Flussgrenze nach Pandanor überschritten. Folom und Epea werden bereits belagert…«
»W as ist mit der Flussinsel Colintia?«, unterbrach Lirandil den Boten.
Nomran-Kar schien etwas verwundert über die Frage zu sein. »M eint Ihr diese Insel an der Flussmündung, die stets von so starkem Nebel umgeben ist, dass ich sie auf meinen Botenflügen immer gemieden habe?«
»J a, genau die.«
»I ch habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Aber das ist ein Ort, der ohnehin niemanden interessiert. Lebt da überhaupt jemand– von ein paar Nebelgeistern vielleicht mal abgesehen?«
»E s war nur eine einfache Frage«, sagte Lirandil kühl.
Warum fragt er nach diesem Ort?, überlegte Arvan. Es musste dafür einen Grund geben, denn wenn Lirandil eine Frage stellte, dann bestimmt nicht, um damit nur irgendeiner plötzlichen Laune zu folgen. Kann es sein, dass diese mysteriöse Insel das vorläufige Ziel unserer Reise ist, das Lirandil uns bisher ja nicht zu nennen bereit war?, fragte sich Arvan.
Insgeheim hoffte er, von dem Fährtensucher darauf eine Antwort in Form eines eindeutigen Gedankens zu bekommen. Aber diesen Gefallen tat ihm der Elb nicht.
»W ie gesagt, Colintia ist ein Ort, den ich meide. Und so geht es vielen. Angeblich soll es dort nämlich spuken…«
»W as ist mit Eurem Reittier geschehen?«, fragte Lirandil.
»D ie Orks haben es…« Er schluckte, und sein Gesicht wurde blass dabei.
»… gefressen?«, vollendete Brogandas mit einem breiten Lächeln. »M ein elbischer Gefährte kennt sich zwar aus gewissen Gründen etwas besser mit den Geräuschen der Orks aus, aber da deren Hauptnahrung ja angeblich die Schwärme von Riesenschrecken sind, die zweimal im Jahr den Himmel über dem südlichen Athranor
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