Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
auptsache, wir kommen auch dort an, wo wir hinwollen!«
Böses Erwachen
Neldo hatte so tief geschlafen wie lange nicht mehr. Vielleicht lag es daran, dass er sich auch zum ersten Mal seit langer Zeit sicher gefühlt hatte. Zusammen mit Sona, Forry und den anderen Halblingen aus der Dichtwaldmark hatte er noch lange an dem nun heruntergebrannten Feuer gesessen. Der Lagerplatz lag genau zwischen zwei gewaltigen Wurzelsträngen eines besonders großen Riesenbaums. Diese Wurzelstränge überragten jeden Halbling und selbst die meisten Orks oder Menschen. Das Feuer würde man also nicht sehen können. Davon abgesehen war das Unterholz in dieser Gegend so dicht, dass Forry das Risiko für vertretbar hielt. Sie hatten gut nach Halblingart gegessen, und Neldo lauschte dabei den Gesprächen der anderen. Sie erzählten von den Toten, die sie zu beklagen hatten, und davon, wie schön ihr Leben früher gewesen war und dass es nie wieder so werden konnte wie einst.
All das, was geredet worden war, hatte Neldo noch im Ohr gehabt, als er schließlich eingeschlafen war. Wachen waren eingeteilt worden, und das beruhigte ihn. Auch er war für eine Wache vorgesehen gewesen, und es hatte die Absprache gegeben, dass man ihn wecken würde.
Doch das war nicht geschehen. Und vielleicht war das auch der Grund, weshalb er bereits beim Erwachen ahnte, dass etwas nicht stimmen konnte.
Neldo schreckte hoch. Ein Wurfdolch drang dicht neben ihn in das Wurzelholz des Riesenbaums. Der flackernde Schein Dutzender Fackeln erhellte die Nacht, und schattenhafte Gestalten drangen von überall her aus dem Wald. Orks! Der schwere Schritt ihrer Stiefel war auf dem weichen Waldboden sehr gedämpft und kaum zu hören. Lauter waren die Speere, Wurfdolche und Äxte, die durch die Luft flogen. Ein Speer durchbohrte Sona. Ein Wurfbeil spaltete fast im selben Moment ihren Schädel. Forry kam noch dazu, einen Alarmschrei auszustoßen, bevor ihm ein Dolch in die Brust fuhr, noch bevor er zu seinen Waffen greifen konnte. Neldo griff zu seinem Rapier, das neben ihm lag. Er riss die Waffe empor, als ein Ork von der Wurzel des Riesenbaus aus auf ihn hinabsprang und dabei eine Keule mit Obsidianspitzen zum Schlag erhoben hatte.
Neldos Rapier spießte den Ork regelrecht auf. Der Schlag mit der Obsidiankeule ging ins Leere. Röchelnd starb der Ork. Aber sein Körper lastete so schwer auf Neldo, dass dieser sich nicht so einfach davon befreien konnte.
Das Rapier steckte noch bis zum Heft im Orkfleisch, als der tote Körper mit einem kräftigen Ruck einfach fortgerissen wurde. Ein Ork stand über Neldo und hob seine große Streitaxt zum Schlag. Ein zweiter stand mit einer Fackel in der Hand daneben und machte einen gurgelnden Laut.
Ohne Waffe in der Hand lag Neldo da– dem Axtschlag wehrlos ausgeliefert. Gleichzeitig hörte er das Geräusch zerberstender Knochen. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er erkennen, wie ein anderer Ork Forrys blutigen Kopf in seiner Pranke hielt und gierig betrachtete.
Neldo schrie, als die Axt seines Gegners auf ihn niedersauste. Blitzschnell wandte er sich zur Seite. Sein Fuß hakte sich hinter den Stiefel des Orks. Haarscharf schlug die Axtklinge neben ihn in den Waldboden, und der Ork taumelte. Aber er konnte sich auf den Beinen halten und riss die Axt empor, um noch einmal zuzuschlagen.
Da ertönte ein durchdringendes Geräusch. Es erinnerte an ein Signalhorn, nur war es sehr viel tiefer und schmerzte in den Ohren. Der Ork stieß daraufhin einen ärgerlich klingenden, gurgelnden Laut aus und senkte die Axt. Er trat ein Stück zurück. Neldo kauerte am Boden. Von der Gruppe von Halblingen um Sona und Forry schien keiner mehr am Leben zu sein. Wie aus dem Nichts und vor allem viel leiser als sonst waren die Orks aufgetaucht, hatten wohl zuerst fast lautlos die eingeteilten Wächter getötet und dann binnen Augenblicken alle anderen im Lager. Selbst im weichen Schein der Fackeln war das Grauen nicht zu übersehen. Und überall hatten sich die Orks gleich über die Leichen hergemacht. Dass sie ihre wenige Habe plünderten, war dabei noch das Harmloseste gewesen.
Aber seit diesem tiefen, durchdringenden Ton waren sie alle nahezu wie erstarrt.
Neldo sah eine Gestalt, die zunächst nur als dunkler, undeutlicher Schemen für ihn zu sehen war. Auf jeden Fall war es ein Reiter, wie Neldo sofort erkannte. Aber die Hufe verursachten keinen Laut, so als würden sie gar nicht den Boden berühren. Der Reiter näherte sich, und der Schein der
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