Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
Mensch überrascht, bei dem man sich kaum noch daran erinnern mag, dass er in den Wäldern am Langen See mal für sein Ungeschick und seine Plumpheit bekannt und verschrien war– jetzt, da man sich inzwischen weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus davon erzählt, wie er zum großen Helden wurde und etwas vollbrachte, was kaum jemand für möglich gehalten hätte, als er Zarton erschlug! Aber ich sage euch, als seine größte Heldentat sehe ich nicht an, dass er den Feldherrn des Schicksalsverderbers abschlachtete, was für ein Scheusal diese Kreatur auch gewesen sein mag. Seine größte Heldentat war es, sich nicht zum Hochkönig ausrufen zu lassen, was zweifellos geschehen wäre, wenn er dies nicht abgelehnt hätte. In dem Augenblick wusste ich, dass Arvan vielleicht tatsächlich das Zeug zum Helden hat, auch wenn ihm das bis dahin niemand angesehen hat. Nicht die Stiefel sind es, die dich zu einem großen Mann machen können, Arvan, sondern das, was in dir ist! Aber auch du wirst noch ein paar Dinge lernen müssen. Zum Beispiel, wie man seine Wut beherrscht, und dass die Welt nicht nur schwarz oder weiß, sondern meistens grau ist.«
Arvan öffnete die Lippen, als ob er etwas sagen wollte, denn er spürte bereits wieder Zorn und Wut in sich aufsteigen. Er dachte an die wie verschmort wirkenden Leichen, die er in dem Haus gesehen hatte, auf das sich der Schattenvogel gesenkt hatte.
Untersteh dich, mir jetzt zu widersprechen, du Narr!, erreichte Arvan in diesem Augenblick ein Gedanke Lirandils, der heftiger war, als er es je zuvor erlebt hatte. So heftig, dass er ihm sogar einen deutlichen Schmerz hinter der Stirn verursachte. Zumindest glaubte Arvan, dass dieser plötzlich auftretende, stechende Schmerz damit in Verbindung stand. Wir brauchen Brogandas dringender denn je, denn von dem, was er den Mächtigen von Khemrand berichtet, wird unter Umständen abhängen, auf welche Seite sich die Lande der Dunkelalben von Albanoy letztlich in diesem Krieg schlagen werden, Arvan. Schweigen ist das Wichtigste, was du noch lernen musst! Schweigen im richtigen Moment. Und wenn du Menschling-Narr das nicht verstehst, dann gehorche mir jetzt einfach, oder ich werde dich dazu zwingen, wie du es mit einem störrischen Baumschaf getan hättest.
Arvan schluckte.
»W as geschehen ist, ist geschehen«, fuhr Lirandil fort. »D as habe ich schon einmal gesagt, und ich wiederhole es jetzt. Nicht jeder mag es gutheißen, was Brogandas getan hat, und ich selbst verabscheue als Elb prinzipiell den Einsatz einer bestimmten Art von Magie, die unser dunkelalbischer Gefährte für etwas ganz Normales hält. Brogandas hat mir versichert, dass er in Zukunft Unschuldige verschonen wird– schon deshalb, weil er gesehen hat, dass sein Vorgehen beinahe unsere Gefährtenschaft gespalten hätte. Und davon abgesehen sollten wir uns von nun an nur noch auf eines konzentrieren: Nämlich einen Weg zu finden, um Ghool eine Macht entgegenzustellen, die ihn aufzuhalten und seine Pläne zu durchkreuzen vermag. Alles andere sollte uns im Moment nicht weiter interessieren!«
Zalea warf Arvan einen Blick zu. Aber obwohl es auch ihr offenbar schwerfiel, schwieg sie.
Sie ritten der Stadt am Asanil-Turm entgegen. Die Stunden vergingen, und die Dämmerung setzte ein. Das Leuchten des Turms trat immer deutlicher hervor. Er beschien die gesamte Stadt und tauchte sie in seinen bläulichen Schein.
»F rüher, als Asanil noch in dem Turm lebte, hat er nicht geleuchtet«, erklärte Lirandil. »U nd auch in den ersten Jahren nach der magischen Versiegelung und Asanils Aufbruch war das noch nicht zu sehen. Erst nach und nach wurde die in dem Turm gebundene Magie offenbar stärker und stärker …«
»H ängt das mit der Versiegelung selbst zusammen?«, erkundigte sich Whuon, der ebenfalls von der Erscheinung des Turms vollkommen fasziniert zu sein schien.
»D as vermute ich«, nickte Lirandil. »A llerdings könnte es auch mit den Dingen in Zusammenhang stehen, die Asanil im Inneren des Turms aufbewahrt.«
»D ann sind das nicht nur magische Schriften?«
»N ein, nicht nur. Auch Artefakte und magische Gegenstände. Aber niemand sollte die Magie unterschätzen, die in Büchern gebunden sein kann. Bücher, eng beschrieben mit Elbenrunen, von denen jede einzelne mehr Magie in sich bindet, als so mancher, der sich unter den Menschen einen Hexer oder Zauberer nennt, jemals angewandt hat!«
»I ch nehme an, dass dort viele Geheimnisse schlummern…«
»E uren
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