Das Erbe der Jedi-Ritter 15 - Die Ruinen von Corusant
schon innerhalb kurzer Zeit verzerren. Aber das verändert die Essenz der Geschichte nicht.«
Nom Anor nickte nachdenklich und tat so, als müsste er Shoon-mi diesen Punkt zugestehen. »Aber welche von ihnen ist die Wahrste ? Welchem Jedi folge ich? Dem, der Feuer benutzt, oder dem, der es nicht tut?«
»Du musst deinem Instinkt folgen«, sagte Aarn.
Nom Anor warf dem Beschämten einen kurzen Blick zu, und um einen seiner Mundwinkel zuckte die Spur eines Zähnefletschens. Es empörte ihn, sich mit solchen Leuten abgeben zu müssen − immerhin wäre es vor ein paar Monaten noch unter seiner Würde gewesen, auch nur einen Gedanken an diese Geschöpfe zu verschwenden.
»Ich hatte gehofft, der Geschichte bis zu ihrer Quelle folgen zu können«, sagte er nun wieder an Shoon-mi gewandt. »Zu dem, der sie von Yavin 4 mitgebracht hat − dem, der es mit seinen eigenen Augen sah und mutig genug war, es zu erzählen.«
»Ich kenne den Namen dieser Person nicht«, sagte Shoon-mi. »Ich glaube auch nicht, dass sonst jemand ihn kennt.«
»Er wurde in deiner Version der Geschichte nie beim Namen genannt?«
Niiriits Bruder schüttelte den Kopf. »Daran hätte ich mich erinnert. Diese Person wäre immerhin fast so berühmt wie Vua Rapuung selbst.«
Und außerdem wäre sie tot, dachte Nom Anor. Geschichten über Ketzer zu verbreiten war eine Sache, aber zuzugeben, dass man Kriegsherrn Tsavong Lahs direkten Befehl missachtet hatte, etwas ganz anderes. Es hätte allerdings jeder sein können: Ein Krieger hatte vielleicht einen Lieblingssklaven herausgeschmuggelt; oder die Gestalterin Nen Yim hatte von ihren Erlebnissen auf Yavin 4 erzählt; oder jemand, der zu einer mit Kwaad rivalisierenden Domäne gehörte, hatte entsprechende Gerüchte verbreitet. Es gab zahllose Möglichkeiten.
»Bestehen denn noch andere Unterschiede zwischen den Geschichten?«, fragte er und hoffte, mehr wie ein unschuldiger Schüler der Jedi als wie jemand mit unlauteren Hintergedanken zu klingen.
»Es gibt eine gewisse Diskrepanz darüber, wann sich das alles ereignet hat«, berichtete Aarn.
»Ja, ich weiß. Eine Version berichtet, dass all das geschah, als sich Yavin 4 noch in den Händen der Jedi befand. Stört dich das nicht?«
»Eigentlich nicht«, sagte Aarn. »Geschichten verändern sich von selbst. Es wäre verdächtiger, wenn alle Versionen gleich wären.«
»Kennt ihr andere, die Geschichten wie diese erzählen?«, fragte Nom Anor.
»Ein paar«, sagte Shoon-mi. »Jeder erzählt es einer Hand voll von Freunden, denen er traut, und jeder von denen erzählt es wieder einer andern Hand voll. Auf diese Weise verbreiten sich die Gerüchte. Nicht zu wissen, wer es mehr als zwei Stufen entfernt erzählt hat, mag frustrierend sein, aber es macht es für uns alle ein wenig sicherer.«
Das stimmte in der Tat, dachte Nom Anor. Für ihn persönlich war es jedoch eher nachteilig, denn diese Art der Verbreitung machte es ihm so gut wie unmöglich, die Geschichte bis zu ihrer Quelle zurückzuverfolgen. Shimrra würde nicht froh sein, nur die Hälfte der Informationen zu erhalten. Wenn der Höchste Oberlord nicht sicher sein konnte, die Ketzerei mit den Wurzeln ausgerissen zu haben, würde er niemals glauben, dass sie vollkommen verschwunden war. Das würde ihn zweifellos frustrieren, und dadurch wiederum würde Nom Anor zu einer Quelle seiner Frustration werden.
Diese Ketzerei war wie eine Krankheit, die den Unterbau der Yuuzhan-Vong-Kultur zerfraß. Nom Anor hatte sich immer vorgestellt, dass es die Arbeiter waren, die unterhalb der Krieger-, Gestalter- und Verwalterklassen die Fundamente der Gesellschaft bildeten. Die Loyalität der Arbeiter wurde von den Priestern gewährleistet, die alle schwachen Bereiche durch ihre Doktrinen abstützten, welche aber kaum mehr haltbar wären, wenn man auch nur eine einzelne Klaue hineinbohrte. Ja, es waren die Priester, die am Ende alles möglich machten. Denn was würde ohne Götter, die Opfer und Dienst verlangten, die Arbeiter davon abhalten, sich zu erheben? Oder die Verwalter davon, alles zu stehlen, was sie haben wollten? Es war der Leim der Götter, der nicht nur die Yuuzhan-Vong-Invasion auf Kurs, sondern das gesamte Volk der Yuuzhan Vong zusammenhielt.
Nom Anor befürchtete, wenn etwas anderes anstelle der Götter träte − neue oder überhaupt keine Götter −, würde die Yuuzhan-Vong-Gesellschaft zerfallen wie ein berstender Planet. Es gäbe keine Mitte mehr, die sie zusammenhielt; sie würde
Weitere Kostenlose Bücher