Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
nicht, die ganze Zeit zu tanzen und Feste im Rosengarten zu feiern ... Ich arbeite so schwer wie eine Magd, aber ich arbeite des Nachts und im Geheimen, und niemand darf je erfahren, wie viel es mich kostet. Niemand darf je erfahren, dass ich so angewidert bin, dass ich mich erbrechen könnte. Niemand darf je erfahren, dass es mir fast das Herz bricht, die Dinge, die ich einst aus Liebe tat, nun tun zu müssen, um einen Mann zu erregen, der besser daran täte, friedlich sein Nachtgebet zu sprechen und einzuschlafen. Niemand weiß, wie schwer ich mir meine Zobelpelze und meine Perlen verdiene. Und ich kann es niemandem sagen. Niemals. Es muss ein tiefes, tiefes Geheimnis bleiben.
Wenn er endlich fertig ist und schnarcht, dann kommt - seltsamerweise - die einzige Zeit des Tages, in der ich mit meinem großen Glück unzufrieden bin. Oft erhebe ich mich dann, weil ich mich so ruhelos und aufgewühlt fühle. Soll ich denn jede weitere Nacht meines Lebens damit verbringen, einen Mann zu verführen, der alt genug ist, mein Großvater zu sein? Ich bin doch gerade erst fünfzehn geworden! Soll ich niemals mehr einen heißen Kuss von einem sauberen Mund schmecken oder glatte, junge Haut spüren oder eine feste, muskulöse junge Brust? Soll ich den Rest meines Lebens damit verbringen, auf einem hilflosen und schlaffen Ding auf und ab zu gleiten und vor gespielter Lust aufzuschreien, wenn es sich langsam und kraftlos unter mir bewegt? Wenn er im Schlaf furzt, wenn die laute, königliche Trompete einen weiteren Gestank zu den Dünsten unter der Bettdecke fügt, dann stehe ich zornig auf und gehe in meine eigene Schlafkammer.
Und dort wartet stets Lady Rochford auf mich, wie ein guter Engel. Sie versteht mich, sie kennt meine Pflicht und weiß, wie sehr mich diese in manchen Nächten reizt und krank macht. Sie hat einen Becher heißen Met und Gebäck für mich, und sie nötigt mich in einen Stuhl am Feuer und reicht mir den warmen Becher und bürstet mein Haar so langsam und sanft, bis aller Zorn aus mir gewichen ist und ich mich wieder beruhigt habe.
»Wenn Ihr einen Sohn bekommt, seid Ihr von ihm befreit«, wispert sie so leise, dass ich sie kaum verstehe. »Wenn Ihr sicher seid, empfangen zu haben, dann wird er Euch in Ruhe lassen. Keinen falschen Alarm mehr. Wenn Ihr ihm sagt, dass Ihr guter Hoffnung seid, müsst Ihr Euch auch dessen sicher sein. Dann werdet Ihr fast ein Jahr lang Ruhe haben. Und nachdem Ihr ihm einen zweiten Sohn geboren habt, wird Eure Stellung gesichert sein, dann könnt Ihr tun und lassen, was Ihr möchtet, und er wird es nicht erfahren, ja, es wird ihn gar nicht interessieren.«
»Ich werde nie wieder Vergnügen haben«, sage ich traurig. »Mein Leben ist vorüber, bevor es überhaupt begonnen hat. Ich bin erst fünfzehn und schon des Lebens müde.«
Sanft streichelt sie meine Schultern. »Ach, es wird schon wieder«, sagt sie mit Gewissheit. »Das Leben ist lang, und wenn eine Frau überlebt, dann kann sie auf die eine oder andere Art Freuden finden.«
J ANE B OLEYN , S CHLOSS W INDSOR , O KTOBER 1540
Die königlichen Gemächer zu beaufsichtigen, ist wahrlich kein leichtes Amt. Unter meiner Führung stehen Mädchen, die in jeder anständigen Stadt als Dirnen an den Pranger gestellt würden. Katherines Freundinnen aus Lambeth sind zweifellos die gemeinsten Schlampen, die jemals aus edlem Hause kamen, wo die Hausherrin sich nicht mit ihrer Aufsicht plagen wollte. Katherine hat darauf bestanden, dass ihre früheren Freundinnen in ihren Privatgemächern Dienst tun, und ich kann es ihr kaum abschlagen, zumal ihre älteren Hofdamen keine passende Gesellschaft für sie darstellen, da sie viel zu alt sind. Sie braucht ein paar Freundinnen ihres Alters, aber die Gefährtinnen, die sie ausgesucht hat, sind keine sittsamen Mädchen aus guten Familien, sondern fast erwachsene Frauen von lockerer Disziplin - gerade die Gefährtinnen, die Katherine das schlechteste Beispiel geben. Es ist ganz anders als unter Königin Annas Herrschaft, und bald schon werden es alle merken. Ich vermag mir nicht vorzustellen, was mein Gebieter, der Herzog, sich dabei denkt. Noch gibt der König seiner Kindbraut alles, was sie will. Die Gemächer einer Königin sollten aber der edelste, erhabenste Ort im ganzen Lande sein, und nicht ein Schulhof, auf dem sich die wildesten Mädchen austoben.
Dass sie Katherine Tylney und Margaret Morton mag, kann ich noch verstehen, obwohl beide gleichermaßen großmäulig und derb sind.
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