Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
Agnes Restwold ist eine Vertraute aus alten Zeiten. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass sie Joan Bulmer haben wollte, denn deren Name wurde nicht einmal erwähnt. Doch wie es scheint, hat diese Frau einen geheimen Brief geschrieben, ihren Ehemann verlassen und sich bei Hofe eingeschmeichelt. Und Katherine war entweder zu gutherzig oder hatte zu viel Angst davor, was diese Frau ausplaudern könnte.
Und was kann das bedeuten? Hat sie dieser Frau erlaubt, in ihre Gemächer zu kommen, an den vornehmsten Ort des Landes, weil sie Geheimnisse aus Katherines Vorleben ausplaudern könnte? Was um alles in der Welt ist denn damals passiert, dass sie es nicht wagen kann, darüber zu sprechen? Und können wir Joan Bulmer vertrauen, dass sie den Mund hält? Bei Hofe? An solch einem Hof? Wo aller Klatsch stets die Königin zum Mittelpunkt hat? Wie soll ich Ordnung in diesen Gemächern halten, wenn eines der Mädchen Kenntnis eines so furchtbaren Geheimnisses der Königin besitzt, dass es sich dadurch Zutritt in die vornehme Welt verschaffen konnte?
Das sind also ihre Freundinnen und Gefährtinnen, und es gibt kaum eine Möglichkeit, sie zu bändigen. Zuerst hatte ich noch gehofft, die älteren Hofdamen würden einen beherrschteren Ton einführen und etwas gegen das kindische Durcheinander tun, das Katherine so viel Spaß macht. Die edelste Dame in den königlichen Gemächern ist Lady Margaret Douglas, einundzwanzig Jahre alt und des Königs Nichte, aber sie ist selten da. Sie verdrückt sich immer stundenlang, zusammen mit ihrer besten Freundin Mary, der Herzogin von Richmond, die mit Henry Fitzroy verheiratet war. Gott allein mag wissen, wo sie stecken. Es heißt, sie verfassten Gedichte und läsen viel, was zweifellos für sie spricht. Aber mit wem reimen und lesen sie den ganzen Tag? Und warum kann ich sie nie finden? Die übrigen Hofdamen stammen alle aus der Howard-Familie: die ältere Schwester der Königin, ihre Tante, die Schwägerin ihrer Stief-Großmutter ... ein wahres Netz von Frauen aus dem Howard-Clan, darunter auch Catherine Carey, die rasch wieder an den Hof gekommen ist, um vom Aufstieg eines Howard-Mädchens zu profitieren. Diese Frauen kennen nur ihren eigenen Ehrgeiz und helfen mir kein bisschen, die Gemächer der Königin zu beaufsichtigen, damit wenigstens der äußere Anschein gewahrt wird.
Denn selbst um den ist es schlecht bestellt. Ich bin sicher, dass Lady Margaret sich mit einem Mann trifft; sie ist eine Närrin, und eine leidenschaftliche Närrin dazu. Sie hat ihren königlichen Onkel schon einmal verärgert und ist für eine Liebelei bestraft worden, und die Sache hätte schlimmer ausgehen können. Fast hätte sie Thomas Howard, einen unserer Verwandten, geheiratet. Für den Versuch, eine Tudor zu heiraten, bezahlte er im Tower mit dem Leben. Lady Margaret wurde ins Kloster Syon verbannt, bis sie den König um Verzeihung bat und versprach, dass sie fortan auf ihn hören und nur auf sein Geheiß hin heiraten würde. Aber jetzt verschwindet sie am helllichten Vormittag aus den Gemächern der Königin und kommt gerade noch rechtzeitig zurück, bevor wir zum Dinner gehen, rückt ihre Haube zurecht und kichert albern. Ich habe Katherine gesagt, sie solle ihre Damen im Zaum halten und dafür sorgen, dass ihr Benehmen einem Königshof Ehre macht, aber sie ist selbst auf der Jagd oder beim Tanz oder beim Flirt mit den jungen Männern vom Hof und beträgt sich so liederlich wie ihre Hofdamen, ja schlimmer.
Vielleicht bin ich auch zu ängstlich. Vielleicht würde der König ihr tatsächlich alles verzeihen. In diesem Sommer schien er so in sie vernarrt zu sein wie ein junger Mann. Er hat Katherine auf die Sommerreise mitgenommen und allen seinen Günstlingen vorgeführt. Er hat es geschafft, jeden Tag mit ihr auf die Jagd zu gehen. Er ist in aller Frühe aufgestanden, hat in Pavillons im Wald zu Mittag gegessen, hat nachmittags Bootsfahrten gemacht. Er hat ihr beim Bogenschießen zugeschaut, bei einem Tennisturnier oder beim Wetten auf die jungen Männer, die nach dem Sandsack stechen. Danach folgten stets noch ein spätes Dinner und ein langer Abend mit Lustbarkeiten. Und dann ging er mit ihr zu Bett, und am nächsten Morgen musste der arme Alte wieder in aller Herrgottsfrühe aus den Federn! Er hat Katherine wohlwollend zugelächelt, wenn sie sich drehte und lachte und von den hübschesten jungen Männern an seinem Hofe zum Tanz geführt wurde. Er ist lächelnd hinter ihr hergehumpelt, stets von ihr
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