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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Klöster und den Papst gleich mit. Ist er mit einer Seymour verheiratet, dann müssen wir Howards unter seiner Tafel kriechen und die Brosamen aufsammeln. Ist er mit der klevischen Frau verheiratet, sind wir alle Knechte Thomas Cromwells, der die Partie eingefädelt hat. Nun aber sind wir an der Reihe. Unser Mädchen sitzt auf Englands Thron, und wir müssen alles, was wir nur tragen können, in unseren Besitz bringen.«
    »Aber wenn wir uns dadurch jeden zum Feinde machen?«, halte ich ihm vor. »Durch unsere Gier?«
    Grinsend entblößt er seine gelben Zähne. »Jeder ist jederzeit unser Feind«, sagt er nur. »Aber im Augenblick sind wir die Gewinner.«

 
 
A NNA , H AMPTON C OURT , W EIHNACHTEN 1540
 
    »Wenn es unbedingt getan werden muss, dann geschehe es mit Würde.« Dies ist jetzt mein Motto. Als ich auf der Themse zur Residenz des Königs reise, ziehen die Männer in den Jollen und die Fischer auf ihren kleinen Booten beim Anblick meiner Standarte ihre Kappen und rufen: »Gott schütze Königin Anna!« (oder auch weniger höfliche Kommentare wie »Ich hätt' dich ja behalten, Liebchen!« und »Möcht'st du's nicht mal mit 'nem Themseschiffer versuchen?«). Aber ich lächele nur und winke und sage wieder: Wenn es getan werden muss, dann mit Würde.
    Vom König kann man so ein Motto nicht erwarten: Seine Selbstsucht und Verblendung sind für alle Welt offensichtlich. Die spanischen und französischen Gesandten müssen sich ja über das Ausmaß seiner Eitelkeit krankgelacht haben. Von der kleinen Kitty Howard (Königin Katherine, ich muss und werde mich ermahnen, sie »Königin« zu nennen) kann man auch kein würdevolles Benehmen erwarten, so wenig wie von einem jungen Hund. Wenn er sie nicht binnen Jahresfrist verstößt, wenn sie nicht bei der Geburt ihres ersten Kindes stirbt, dann mag sie vielleicht noch die Würde einer Königin lernen ... vielleicht. Doch noch ist davon nichts zu merken. Um die Wahrheit zu sagen: Nicht einmal als Ehrenjungfer war sie sonderlich geeignet, nicht einmal damals passte sie in die Gemächer einer Königin - und wie soll sie dann jemals Königin sein?
    Ich werde diejenige sein müssen, die ein wenig Würde zeigt, damit wir drei nicht im ganzen Lande zum Gegenstand des Gespötts werden. Ich werde die Rolle des gern gesehenen Gastes spielen. Ich werde vor dem Kind, das nun auf meinem Thron sitzt, einen Hofknicks machen, ich werde sie mit »Königin Katherine« anreden müssen, ohne zu lachen oder in Tränen auszubrechen. Ich werde die Rolle spielen müssen, die sich der König von mir gewünscht hat: die einer Schwester und besten Freundin.
    Dass diese Rolle mich nicht vor Verhaftung und Anklage beschützt, sollte es der König plötzlich befehlen, ist mir klar. Hat er doch seine eigene Nichte verhaften und in dem alten Kloster Syon einsperren lassen. Offenbar bewahrt Verwandtschaft mit dem König nicht vor Angst, verschafft Freundschaft mit ihm keinen Schutz - wie Thomas Wolsey, der Erbauer dieses prächtigen Schlosses, nur zu sehr bestätigen würde. Doch vielleicht kann ich diese gefährlichen Zeiten überleben, vielleicht kann ich diese gefährliche Nähe überstehen und mir in Heinrichs Reich ein Leben als unverheiratete Frau schaffen, wo ich als Ehefrau versagte.
    Es ist ein seltsames Gefühl, in meiner eigenen Barke mit dem Banner von Kleve über meinem Haupt zu reisen. Dass ich nun allein reise, ohne einen Hofstaat, der mir in eigenen Barken folgt, und ohne die Erwartung eines großen Empfangs, erinnert mich daran - jeder Tag erinnert mich daran-, dass der König tatsächlich durchgesetzt hat, was er wollte - und ich vermag es immer noch nicht zu fassen. Ich war seine Frau - und jetzt bin ich seine Schwester. Hat je ein König der Christenheit solch eine Umwandlung vorgenommen? Ich war Königin von England, und jetzt ist da eine andere Königin. Sie war meine Hofdame, nun soll ich die ihre sein. Dies ist wahrlich der Stein der Weisen, der im Augenblick eines Wimpernschlages wertloses Metall in Gold verwandelt. Der König hat vollbracht, was tausend Alchemisten nicht vermochten: minderwertiges Metall in Gold zu verwandeln, die gewöhnlichste aller Ehrenjungfern, Katherine Howard, zu seiner goldenen Königin zu machen.
    Wir legen an. Meine Ruderer tun einen letzten geschickten Schlag und schultern dann die Ruder, sodass sie aufrecht stehen und ein Spalier bilden, durch das ich in meine Pelze gehüllt schreiten kann. Pagen und Diener laufen mir über die Planke voraus

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