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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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und stets verstopft ist und da sein Bein ständig an der Wunde schwärt, kann ich den Unterschied nicht so recht verstehen. Und außerdem ist er böse zu allen, und niemand kann es ihm recht machen. Den Hof hat er sozusagen zugesperrt, und alle schleichen auf Zehenspitzen herum und wagen kaum, zu atmen. Die Hälfte der Familien hat sich aufs Land zurückgezogen, da der König sich bei Hofe nicht blicken lässt, und der Kronrat tagt nicht, und der König will niemanden sehen, und deshalb sind viele der jungen Männer fortgegangen, und es ist überhaupt kein Vergnügen mehr.
    »Er vermisst Königin Anna«, sagt Agnes Restwold, diese falsche Katze.
    »Tut er nicht«, widerspreche ich. »Warum sollte er?« Er hat sie doch verstoßen, weil er es so wollte.
    »Doch, er vermisst sie«, beharrt Agnes. »Habt Ihr es nicht gemerkt? Sobald sie fort war, wurde er ganz still, und dann wurde er krank, und jetzt hat er sich vom Hofe zurückgezogen, um darüber nachzudenken, was er tun kann, um sie zurückzugewinnen.«
    »Das ist eine Lüge!«, sage ich. Schrecklich von Agnes, mir so etwas zu sagen. Wer sollte besser wissen als ich, dass man jemanden lieben kann - so wie ich Francis -, aber eines schönen Tages wacht man auf und will nichts mehr davon wissen? Ich dachte, das wäre bloß bei mir so, weil ich ein wankelmütiges Herz habe, wie Großmama immer sagt. Aber was ist, wenn auch der König so wankelmütig ist? Was, wenn er findet - ich fand das nämlich, und offensichtlich jeder bei Hofe -, dass Lady Anna niemals besser ausgesehen hat? Alles, was an ihr so fremdländisch und dumm gewirkt hatte, war irgendwie geglättet, und sie war irgendwie - ich weiß nicht, wie ich es sagen soll - anmutig. Sie war eine wahre Königin, und ich war, wie immer, das hübscheste Mädchen im ganzen Zimmer. Ich bin immer das hübscheste Mädchen im Zimmer. Aber mehr auch nicht. Was ist, wenn er jetzt eine Frau mit Anmut haben will?
    »Agnes, du tust Unrecht, wenn du aufgrund deiner langen Freundschaft mit Ihrer Gnaden meinst, du dürftest sie quälen«, sagt Lady Rochford. Ich liebe es, wie sie solche Sachen sagt. Ihre Worte klingen so toll wie im Theater, und ihr Ton ist so eisig wie ein Februarschauer. »Das ist müßiges Geschwätz, während der König krank darniederliegt und wir für seine Genesung beten sollten.«
    »Ich bete ja«, sage ich rasch, denn alle sagen, dass ich wirklich oft in die Kapelle gehe. Ich verbringe tatsächlich viel Zeit dort. Ich verrenke mir den Hals, um über den Rand der königlichen Loge zu spähen und die jungen Höflinge zu sehen. Meistens schaut Thomas Culpepper zu mir auf und lächelt. Dieses Lächeln ist das Beste am Kirchgang, es erhellt die Kapelle wie ein Wunder. »Ich bete ja. Und wenn es Fastenzeit ist, dann werde ich weiß Gott nichts anderes zu tun haben.«
    Lady Rochford nickt. »In der Tat, wir werden alle für die Gesundheit des Königs beten.«
    »Aber warum? Ist er so krank?«, frage ich leise, damit Agnes und die anderen es nicht hören. Manchmal wünschte ich tatsächlich, ich hätte sie nicht in meinen Haushalt geholt. Für die Mädchenkammer in Lambeth waren sie fein genug, aber für den Hofstaat einer Königin sind sie wohl wirklich unpassend. Ich bin sicher, Königin Anna hat niemals solch ungezogene Hofdamen gehabt, im Leben nicht. Wir hätten nie gewagt, so mit ihr zu reden wie meine Damen mit mir.
    »Die Wunde an seinem Bein hat sich wieder geschlossen«, erklärt Lady Rochford. »Ihr habt doch zugehört, als der Arzt dies erklärte?«
    »Ich habe das nicht verstanden«, sage ich. »Ich wollte ja zuhören, aber dann habe ich es nicht mehr verstanden. Und dann habe ich nicht mehr zugehört.«
    Sie legt die Stirn in Falten. »Vor Jahren ist der König furchtbar am Bein verwundet worden«, erzählt sie. »Diese Wunde ist nie verheilt. Dies wisst Ihr doch wenigstens?«
    »Ja«, sage ich verdrießlich. »Das weiß ja jeder.«
    »Die Wunde hat sich entzündet und muss dräniert werden. Jeden Tag muss der Eiter aus dem Fleisch abgeleitet werden.«
    »Das weiß ich«, sage ich. »Redet nicht davon.«
    »Nun, die Wunde hat sich geschlossen.«
    »Das ist doch gut, oder nicht? Sie verheilt? Es geht ihm besser!«
    »Die Wunde schließt sich an der Oberfläche, schwärt jedoch darunter weiter«, erklärt sie. »Das Gift kann nicht abfließen, es steigt zu seinem Bauch, zu seinem Herzen empor.«
    »Nein!« Nun bin ich entsetzt.
    »Als dies das letzte Mal passierte, fürchteten wir, ihn zu verlieren«,

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