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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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meine Pläne jetzt nicht mit dir besprechen.«
    »Kitty!«, ruft er, hin und her gerissen zwischen Zorn und Verlangen. »Du bist meine Frau, meine mir angetraute Ehefrau! Du bist meine Geliebte!«
    »Ich muss dich nun bitten zu gehen«, sage ich würdevoll, mache ihm die Tür vor der Nase zu und hüpfe in mein Bett.
    »Und was nun?«, fragt Agnes. Am anderen Ende des Schlafsaals ist ein Bettvorhang zugezogen. Irgendein Junge und eine lockere Dirne lieben sich, man kann ihre keuchenden Atemzüge und ihre Seufzer hören.
    »Könnt ihr nicht ruhig sein?«, rufe ich durch den Saal. »Euer Verhalten ist schockierend und anstößig für ein junges Mädchen wie mich. Es sollte verboten werden.«

 
 
A NNA , C ALAIS , D EZEMBER 1539
 
    Im Laufe dieser langen Reise beginne ich zu lernen, wie eine englische Königin sein soll. Die englischen Damen, die der König zu meiner Begleitung geschickt hat, haben jeden Tag Englisch mit mir gesprochen. Mein Adjutant Lord Southampton ist mir in keiner Stadt, die wir besucht haben, von der Seite gewichen und hat mir stets Rat gegeben, was ich tun sollte. Sie sind ein höchst förmlicher und würdiger Menschenschlag, diese Engländer: Alles muss nach Gewohnheit und Vorschrift getan werden. Und auch ich lerne nun, meine Aufregung zu bezähmen, wenn man uns mit Pomp und Musik empfängt und Menschenmengen zu meiner Begrüßung heranströmen. Ich will nicht dastehen wie ein Bauernmädchen, wie die Schwester eines unbedeutenden Herzogs. Ich will wirken wie eine Königin, eine wahre Königin von England.
    In jeder Stadt haben mich Menschenscharen willkommen geheißen, sie haben meinen Namen gerufen und mir Blumen und Geschenke überreicht. In den meisten Orten hat mir der Bürgermeister in einer Rede seine absolute Ergebenheit ausgedrückt und mir eine Börse mit Gold oder wertvollem Schmuck geschenkt. Doch die Erfahrung, die ich in der ersten englischen Stadt, in dem Hafen Calais, mache, stellt alles Bisherige in den Schatten. Calais ist eine mächtige englische Festung, zu deren Füßen eine große, mauernbewehrte Stadt liegt. Sie wurde erbaut, um die Angriffe des Erzfeindes, der Franzosen, noch vor den Toren abzuwehren. Wir ziehen durch das Südtor ein, das in Richtung der französischen Lande blickt, und werden sogleich von dem englischen Adeligen Lord Lisle sowie von Dutzenden prächtig gekleideter Gentlemen und Edelmänner begrüßt. Dahinter sehe ich noch eine Abteilung Männer, die rot-blaue Livreen tragen.
    Ich danke Gott, dass er mir in dieser schwierigen Zeit Lord Lisle als Freund und Ratgeber geschickt hat, denn dieser ist ein netter Mann, der ein wenig meinem Vater ähnelt. Ohne ihn wäre ich sprachlos vor Furcht und stumm, weil ich des Englischen kaum mächtig bin. Lord Lisle ist so gut gekleidet wie der König selbst, und die vielen englischen Adeligen, die ihn begleiten, wirken wie ein Meer aus Samt und Pelzen. Doch Mylord nimmt meine kalte Hand und lächelt. »Nur Mut«, sagt er. Ich werde die Bedeutung dieses Wortes erst wissen, wenn ich meine Dolmetscherin frage, aber ich erkenne, dass dieser Mann ein Freund ist, und so erwidere ich schüchtern sein Lächeln, woraufhin er meine Hand in seine Armbeuge nimmt und mich die breite Straße entlang zum Hafen geleitet. Alle Glocken läuten mir zu Ehren, und die Straßen sind gesäumt von Kaufmannsfrauen mit ihren Kindern, und Lehrjungen und Hausdiener rufen »Anna von Kleve lebe hoch!«, während ich vorübergehe.
    Im Hafen liegen zwei riesige Schiffe, die dem König persönlich gehören. Das eine heißt Sweepstake, was irgendetwas mit Wetten zu tun hat, und das andere Lion. Beide haben Flaggen gehisst, und die Trompeter blasen Fanfaren, als sie mich kommen sehen. Diese Schiffe werden mich zum König bringen, begleitet von einer großen Flotte, meiner Eskorte. Die Kanoniere feuern, die Kanonen dröhnen, und die ganze Stadt ist in Rauch und Lärm gebadet, aber es ist mir zu Ehren, und deshalb lächele ich und halte den Lärm der Kanonen tapfer aus. Wir gehen weiter zum Stapelhaus, wo der Bürgermeister und die Kaufleute lange Reden halten und mir zwei Goldbörsen schenken, und Lady Lisle, die mich mit ihrem Ehemann in Empfang nehmen soll, stellt mich meinen Hofdamen vor.
    Alle begleiten mich zum Haus des Königs, dem so genannten ›Chequer‹, und wir bleiben davor stehen, während ein Adeliger nach dem anderen vor mich tritt und sich vorstellt und mir Komplimente macht. Ich bin so müde und überwältigt von den Eindrücken des

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