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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sein. Wenn mir etwas Unziemliches zu Ohren kommt - und sei es auch noch so gering, und ich versichere dir, ich höre alles -, dann entferne ich dich augenblicklich vom Hofe und schicke dich nicht hierher, sondern ins Landhaus deiner Großmutter nach Horsham. Und dort kannst du dein Leben beschließen. Verstehst du?«
    »Ja, hoher Herr Onkel«, bringe ich in erschrockenem Flüstern heraus. »Ich gelobe gutes Betragen.«
    »Ich werde dich nun öfter bei Hofe sehen«, fährt er fort. Fast wünsche ich mir schon, ich wäre nicht berufen worden. »Ab und an wirst du in meine Gemächer kommen und mir berichten, wie du mit der Königin zurechtkommst. Du wirst dich der Diskretion befleißigen und niemals schwätzen. Du wirst die Augen offenhalten und mit niemand anderem darüber sprechen. Du wirst die guten Ratschläge deiner Verwandten Jane Boleyn annehmen, die ebenfalls in den Gemächern der Königin ihren Dienst versieht. Du wirst versuchen, der Königin nahe zu sein, ihre kleine Freundin und Vertraute sollst du werden. Aus der Gunst der Fürsten erwächst unser Wohlstand, vergiss das nie. Du könntest dein Glück machen, Katherine.«
    »Ja, hoher Herr Onkel.«
    »Und noch etwas.« Mahnender Ton.
    »Ja, Onkel?«
    »Bescheidenheit, Katherine. Sie ist die größte Zierde der Frauen.«
    Ich versinke in einen tiefen Knicks, den Kopf so demütig gesenkt wie eine Nonne. Ein Hohnlachen meiner Großmutter zeigt mir, dass sie nicht überzeugt ist. Doch als ich wieder aufblicke, lächelt mein Onkel mich freundlich an.
    »Überzeugend. Du kannst gehen«, sagt er.
    Wieder knickse ich und flüchte aus dem Zimmer, bevor er noch mehr Ermahnungen aussprechen kann. Ich habe mich so danach gesehnt, an den Hof zu kommen, zu tanzen und schöne junge Männer kennenzulernen ..., aber bei meinem Onkel klingt es, als würde ich sein Rekrut.
    »Was hat er gesagt? Was hat er gesagt?« Alle warten in der Großen Halle begierig auf die Neuigkeiten.
    »Ich gehe an den Hof!«, brüste ich mich. »Und ich bekomme neue Kleider und Hauben, und er sagt, ich werde das hübscheste Mädchen in den Gemächern der Königin sein, und jede Nacht gibt es einen Ball, und ich darf wohl behaupten, dass ich keine von euch jemals wiedersehen werde.«

 
 
A NNA , C ALAIS , D EZEMBER 1539
 
    Nach Tagen des Aufschubs hat sich das Wetter endlich so weit beruhigt, dass wir die Englische See überqueren können. Ich hatte gehofft, vorher einen Brief aus der Heimat zu erhalten, doch diese Hoffnung war vergebens. Von Mutter hätten Ratschläge kommen können, auch wenn sie mich gewiss nicht vermisst. Amalie hätte einen netten schwesterlichen Brief schreiben können, weil sie auf einen Besuch in England hofft. Fast könnte ich über mich selbst lachen - wie niedergeschlagen muss ich sein, dass ich mich sogar nach einem Brief von Amalie sehne!
    Der Einzige, von dem ich mit Sicherheit einen Brief erwartet hätte, war mein Bruder - obwohl wir unter den Bedingungen schieden, unter denen wir stets gelebt hatten: ich voller Angst und unterdrückter Wut ob seiner Macht und er von einem Groll gegen mich erfüllt, dem er keinen Ausdruck geben konnte. Ich hatte gedacht, mein Bruder würde schreiben, um mir Aufträge zu erteilen, die ich am englischen Hof wahrzunehmen hätte, denn sicher soll ich doch mein Land und seine Interessen dort vertreten? Aber da mich der gesamte Adel von Kleve begleitet, hat er diesen Männern zweifellos alles Wichtige aufgetragen. Er muss zu dem Schluss gekommen sein, dass ich nicht fähig bin, seine Interessen zu vertreten.
    Aber ich glaubte, er würde schreiben, um mir Vorschriften für mein Benehmen zu machen. Immerhin hat er bisher über mich geherrscht. Ich hätte nicht erwartet, dass er so einfach davon ablässt. Aber wie es scheint, bin ich nun von ihm befreit. Und statt darüber froh zu sein, macht es mich unruhig. Es ist seltsam, meine Familie zu verlassen, ohne dass mir wenigstens einer von ihnen eine gute Reise wünscht.
    Morgen bei Flut stechen wir in aller Frühe in See. Ich sitze in meinen Gemächern im ›Chequer‹ und warte auf Lord Lisle, als ich draußen im Audienzzimmer laute, erregte Stimmen vernehme. Zum Glück ist gerade meine Dolmetscherin Lotte bei mir. Ich nicke ihr kurz zu, und sie geht rasch zur Tür und lauscht dem englischen Wortschwall. Sie hört aufmerksam zu und runzelt die Stirn, und als sie Schritte hört, eilt sie rasch wieder an meine Seite und setzt sich.
    Lord Lisle verneigt sich höflich beim Eintreten, doch sein

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