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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Damen bei Hofe Perlen und sogar Edelsteine an den Hauben tragen. Ich besitze ein paar gute Handschuhe und einen neuen Umhang und einen Muff und ein paar Spitzenkragen, aber ich finde nicht, dass ich in der Auswahl oder Anzahl meiner Kleider verwöhnt bin. Und was für einen Sinn hat es, am Hofe zu weilen, wenn ich nichts anzuziehen habe?
    Obwohl ich mir so große Hoffnungen auf das Hofleben gemacht habe, ist es doch nicht so fröhlich. Wir sind mit dem Schiff von Gravesend gekommen, das Wetter war furchtbar: klatschender Regen und grässlicher Wind, der meine Haube hochwehte und mein Haar schrecklich durcheinanderbrachte. Außerdem ist mein neuer Samtumhang nass geworden, und ich bin sicher, dass Wasserränder zurückbleiben werden. Die zukünftige Königin hat uns bei der Begrüßung so dumm angesehen wie ein stummer Fisch. Es heißt zwar, dass sie nur müde ist, aber mir kommt sie vor wie ein Bauer, der zum ersten Mal die Stadt besucht, so verwundert starrt sie auf die alltäglichsten Dinge. Wenn die Menschen ihr zujubeln, lächelt sie und winkt wie ein Kind auf dem Jahrmarkt, aber wenn sie einen Lord begrüßen soll, schaut sie sich Hilfe suchend nach einer ihrer Begleiterinnen aus Kleve um und raunt ihr in dieser törichten Sprache etwas zu. Dann streckt sie ihre Hand vor, als würde sie ein Rippenstück servieren und sagt kein englisches Wort.
    Als ich ihr vorgestellt wurde, gönnte sie mir kaum einen Blick. Sie machte den Eindruck, als wüsste sie nicht, was wir Mädchen in ihrem Gemach zu suchen hatten oder was sie mit uns anfangen sollte. Ich hoffte, sie würde wenigstens nach Musik fragen, denn ich kann ein Lied auswendig, aber komischerweise sagte sie, sie wolle beten, und schloss sich in ihrem Kabinett ein. Meine Cousine Jane Boleyn sagt, das tue sie, wenn sie allein sein wolle, und es sei kein Zeichen von Frömmigkeit, sondern von Schüchternheit, und wir müssten lieb zu ihr sein, dann werde sie schon bald unsere Sprache erlernen und nicht mehr so einfältig sein.
    Ich wüsste nicht, wo das herkommen sollte. Sie trägt ein Unterkleid, das fast bis zum Kinn reicht. Sie trägt eine Haube, die vermutlich eine Tonne wiegt. Sie hat breite Schultern, und es könnte gut sein, dass sie unter dieser Puddingschüssel von Kleid ungeheuer breite Hüften verbirgt. Lord Southampton scheint von ihr ganz hingerissen zu sein, aber vielleicht ist er auch nur erleichtert, dass die Reise jetzt zu Ende und seine Aufgabe vollbracht ist. Die englischen Gesandten, die sie schon aus ihrer Heimat kennen, schwatzen in ihrer Sprache mit ihr, und sie lächelt bis über beide Ohren und schnattert wie eine quakende Ente. Lady Lisle scheint sie auch zu mögen. Jane Boleyn ist oft an ihrer Seite. Ich aber fürchte, dass das Leben an ihrem Hof nicht besonders fröhlich wird - und welchen Sinn soll ein Hof haben, an dem nicht getanzt und getändelt wird? Wie kann eine junge Königin kein Interesse an Frohsinn und eitlem Putz haben?

 
 
J ANE B OLEYN , R OCHESTER , N EUJAHR 1539
 
    Nach dem Dinner gibt es eine Stierhetze, und man führt Lady Anna zum Fenster mit dem besten Blick in den Hof. Sobald sie sich dort zeigt, schauen die Hundeführer zum Fenster auf und bringen Hochrufe aus. Es ist ungewöhnlich, dass einfache Männer sich so rasch von ihren groben Vergnügungen ablenken lassen. Lady Anna lächelt und winkt ihnen zu. Sie ist immer sehr ungezwungen mit dem einfachen Volk, und es liebt sie dafür. Während der ganzen Reise hat sie den Menschen freundlich zugelächelt und kleinen Mädchen, die ihr Blumensträußchen an die Sänfte brachten, Kusshände zugeworfen. Wir alle staunen darüber sehr. Seit Katharina von Aragon haben wir keine Königin mehr gehabt, die so leutselig und zuvorkommend ist, übrigens auch keine ausländische Prinzessin mehr. Zweifellos wird sie nach einiger Zeit auch mit den Höflingen ungezwungen umgehen.
    Ich stehe neben ihr, und eine ihrer deutschen Damen steht auf der anderen Seite, um für sie zu übersetzen. Lord Lisle ist anwesend, ebenso Erzbischof Cranmer. Er ist vor allem darauf erpicht, sich bei ihr einzuschmeicheln. Zwar ist sie als Cromwells Kandidatin ein Gewinn für dessen Rivalen, doch Cranmers größte Furcht muss gewesen sein, dass der König eine katholische Prinzessin erkoren hätte. Das hätte zu einer erneuten Hinwendung zum althergebrachten Bekenntnis geführt.
    Manche Höflinge sehen ebenfalls der Stierhetze zu, andere unterhalten sich leise im hinteren Teil des Gemachs. Ich verstehe

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