Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
so schwer, oder?«, frage ich. »Der König hat mir noch kein Wort davon gesagt.«
»Wir mussten schwören, dass wir von der Existenz des Schreibens wussten, und dann mussten wir schwören, dass es binnen drei Monaten nachgesendet wird, und dann mussten wir schwören, so lange als Geiseln dafür herzuhalten. Wenn Euer Bruder das Dokument nicht findet und herschickt, dann möge Gott uns beistehen!«
Ich bin entsetzt. »Sie können Euch doch nicht im Austausch gegen das Dokument festhalten? Sie können doch nicht wirklich an ein Hindernis für diese Ehe glauben?«
Er schüttelt den Kopf. »Sie wissen ganz genau, dass Ihr frei seid und dass die Ehe gültig ist. Aber aus Gründen, die nur ihnen selbst bekannt sind, erlauben sie sich, Zweifel zu hegen, und da Euer Bruder vergaß, das Dokument mitzugeben, hat er dem Zweifel Nahrung gegeben. Und wir stehen furchtbar blamiert da.«
Ich schlage die Augen nieder. Meines Bruders Groll gegen mich schadet seinen eigenen Interessen, den Interessen seines Landes, ja sogar seines Glaubens. Ich spüre aufwallenden Zorn, weil er meine Ehe durch seine Eifersucht und seine Rachsucht aufs Spiel setzt. Er ist ein Narr, ein boshafter Narr. »Er ist nachlässig«, versuche ich abzuwiegeln, höre aber das Zittern in meiner Stimme.
»Mit diesem König kann man aber nicht nachlässig umgehen«, warnt der Graf.
Ich nicke, denn mir ist die schweigende Präsenz zu meiner Linken überaus bewusst. Der König versteht kein Deutsch, aber ich will nicht, dass er mir meine Sorgen ansieht.
»Ich bin sicher, alles wird sich zum Besten fügen«, sage ich daher lächelnd, und der Graf verneigt sich und zieht sich zurück.
Das Bankett wird aufgehoben, und der Erzbischof erhebt sich. Meine Berater haben mich auf diesen Augenblick vorbereitet, und als der König aufsteht, weiß ich, dass ich mich anschließen muss. Wir folgen Mylord Cranmer zum großen Schlafgemach des Königs und bleiben in der Tür stehen, während der Erzbischof um das Bett schreitet, das Rauchfass schwingt und das Bett mit Weihwasser besprenkelt. Das kommt mir wirklich abergläubisch und sehr fremdländisch vor. Ich weiß nicht, was meine Mutter dazu sagen würde, aber es würde ihr ganz bestimmt nicht gefallen.
Dann schließt der Erzbischof die Augen und beginnt zu beten. Graf Oberstein steht neben mir und übersetzt. »Er betet, dass Ihr beide gut schlafen möget und nicht von dämonischen Träumen geplagt werdet.« Ich bemühe mich, ein frommes Gesicht zu machen. Aber es fällt mir schwer, nicht herauszuplatzen. Das sind also die Menschen, die Heiligtümer zerstörten, vor denen die Gläubigen um Wunder beteten - und nun beten sie selbst um Schutz gegen Dämonen und schlechte Träume? Was für einen Sinn soll das haben?
»Er betet, dass Ihr nicht unter Unfruchtbarkeit leiden möget und der König nicht unter Impotenz, er betet, dass die Macht Satans weder Euch entfraue noch den König entmanne.«
»Amen«, sage ich gehorsam, als könnte ich diesen Unsinn glauben. Dann lasse ich mich von den Hofdamen in mein eigenes Gemach führen, wo ich mein Nachthemd anlege.
Als ich zurückkomme, steht der König mit seinen Höflingen am großen Bett, und der Erzbischof leiert immer noch Gebete. Der König trägt jetzt ebenfalls ein Nachthemd und einen großen, schönen, pelzbesetzten Umhang auf den Schultern. Er hat seine Hose abgelegt, und ich sehe den monströsen Verband an seinem Bein, der die offene Wunde bedeckt. Er ist zum Glück frisch und sauber, aber dennoch dringt der Geruch der Wunde hindurch und mischt sich auf üble Weise mit dem Duft des Weihrauchs. Während wir uns umzogen, muss wohl ununterbrochen weitergebetet worden sein. Man sollte also annehmen, dass wir inzwischen vor jeder Art dämonischer Träume und Impotenz gefeit sein dürften! Meine Damen treten vor und nehmen mir den Umhang von den Schultern. Nun trage ich vor dem ganzen Hof lediglich mein Nachthemd und bin so gedemütigt und verlegen, dass ich mich fast nach Kleve zurücksehne.
Rasch hebt Lady Rochford die Bettdecken, um mich vor den neugierigen Blicken abzuschirmen. Ich schlüpfe hinein und setze mich aufrecht hin, mit dem Rücken gegen die Kissen. Auf der anderen Seite des Bettes kniet ein junger Mann namens Thomas Culpepper nieder, damit Heinrich sich auf seine Schulter stützen kann, während ein anderer Mann den Ellenbogen des Königs fasst und ihn nach oben drückt. König Heinrich grunzt wie ein Greis, während er sich aufs Bett hievt. Die Matratze
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