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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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›Treuherz‹ am Turnier teilgenommen.
    »Dies hier neu?«, fragt sie und tastet nach den Vorhängen, die um die königliche Loge drapiert sind.
    »Nein«, erwidere ich. »Das sind die Vorhänge, die immer schon benutzt wurden. Seht, hier könnt Ihr es erkennen.« Ich wende den Stoff, und nun kann sie die Stellen der früheren Initialen sehen. Wenn der König sich neu verheiratete, wurden die gestickten Lettern von der Vorderseite der Vorhänge entfernt, an der Rückseite jedoch belassen. Deutlich sind ein »K« und ein »H« zu erkennen, die mit einem Liebesknoten verbunden sind. Darüber ist neben jedes »H« ein »H & A« gestickt. Es ist, als beschwöre man einen Geist, wenn man ihre Initialen sieht. Auch an jenem Maifeiertag hielten diese Vorhänge die heiße Sonne ab. Wir alle wussten, dass der König erzürnt war, wir alle wussten, dass er in Jane Seymour verliebt war, aber niemand konnte ahnen, was als Nächstes geschehen würde.
    Ich erinnere mich, wie Anne sich über die Vorderseite der Loge beugte und ihr Taschentuch fallen ließ, während sie den König schelmisch von der Seite ansah, ob er eifersüchtig würde. Ich erinnere mich an seinen kalten Blick und daran, wie sie plötzlich blass wurde und sich wieder zurücklehnte. Der Befehl zu ihrer Verhaftung steckte da bereits in seinem Wams, aber er ließ kein Wort verlauten. Er beabsichtigte, sie in den Tod zu schicken, saß aber einen großen Teil des Tages neben ihr in der Loge. Sie lachte und schwatzte und teilte Minnetücher aus. Sie lächelte ihn an und flirtete vor seinen Augen und ahnte nicht, dass er ihren Tod beschlossen hatte. Wie konnte er ihr das antun? Wie konnte er neben ihr sitzen mit dem Wissen, dass sie binnen weniger Tage tot sein würde? Tot, so wie mein Ehemann, der aus Liebe zu ihr in den Tod ging. Gott vergebe mir meine Eifersucht. Gott vergebe ihr für ihre Sünden.
    Nun sitzt Lady Anna auf Annes Platz, ihre Initialen schimmern wie ein dunkler Makel durch die verborgene Rückseite der Vorhänge ... Ein Schauer überläuft mich, als würde mir ein eiskalter Finger über den Nacken streichen. Wenn es einen verfluchten Ort gibt, dann diesen. Diese Vorhänge sind immer wieder neu bestickt worden. Werden die Hofnäherinnen in ein paar Jahren wieder ein »A« austrennen? Wird diese Loge noch einen weiteren Geist beherbergen? Wird nach dieser neuen Anna noch eine Königin kommen?
    »Was ist?«, fragt sie mich, dieses neue Mädchen, das keine Ahnung hat.
    Ich deute auf die zierlichen Stiche. »K: Katharina von Aragon«, erkläre ich ihr. »A: Anne Boleyn. J: Jane Seymour.« Ich drehe den Vorhang auf die Vorderseite, damit sie ihre eigenen Initialen sehen kann, die nun stolz und neu dort prangen. »Und nun: Anna von Kleve«, sage ich.
    Sie sieht mich unverwandt an, und zum allerersten Mal überlege ich, ob ich diese junge Frau vielleicht unterschätzt habe. Vielleicht ist sie gar nicht dumm. Vielleicht verbirgt sich hinter diesem ehrlichen Gesicht eine rasche Auffassungsgabe. Weil sie meine Sprache nicht beherrscht, habe ich zu ihr gesprochen wie zu einem Kind und habe auch ihren Verstand für den eines Kindes gehalten. Aber im Gegensatz zu mir jagen ihr diese Geister keine Angst ein, im Gegenteil, sie zuckt die Achseln. »Königinnen vorher«, sagt sie schlicht. »Nun: Anna von Kleve.«
    Entweder ist sie überaus mutig, oder es ist der Gleichmut der sehr Einfältigen.
    »Habt Ihr keine Angst?«, frage ich leise.
    Sie versteht mich genau, ich weiß, dass sie mich versteht. Ich sehe es an der Art, wie sie plötzlich den Kopf neigt. Nun sieht sie mir gerade in die Augen. »Vor nichts Angst«, sagt sie mit fester Stimme. »Nie Angst.«
    Einen Moment meine ich, sie warnen zu müssen. Sie ist nicht die erste mutige Frau, die in dieser Loge saß und als Königin verehrt wurde und deren Leben mit dem Verlust aller Titel und in Einsamkeit zu Ende ging. Katharina von Aragon besaß den Mut eines Kreuzfahrers, Anne die starken Nerven einer Dirne. Aber der König vernichtete beide. »Ihr müsst Euch vorsehen«, mahne ich.
    »Ich Angst vor nichts«, wiederholt sie. »Nie Angst.«

 
 
A NNA , W HITEHALL -P ALAST , J ANUAR 1540
 
    Schon die Schönheit des Schlosses Greenwich hatte mich geblendet, aber Whitehall nimmt mir schier den Atem. Es ist eher eine ummauerte Stadt denn ein Palast: Dort gibt es tausend Hallen und Häuser, Gärten und Höfe, in denen sich nur die Hochgeborenen zurechtzufinden scheinen. Seit ewigen Zeiten ist Whitehall das Heim der

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