Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
enttäuscht, und ich spüre, wie seine Hand weiterarbeitet, doch nichts passiert. Rhythmisch schlägt seine Hand an meine Schenkel, doch mehr geschieht nicht. Ich liege ganz still, ich weiß nicht, was ich tun soll, was er von mir erwartet. Der Hengst in Düren wurde steif und bestieg die Stute. Dieser König aber scheint schwächer zu werden.
    »Mylord?«, flüstere ich.
    Er wälzt sich von mir herunter und stößt ein Wort hervor, das ich nicht kenne. Sein Gesicht ist in den reich bestickten Kissen vergraben. Ich weiß nicht, ob er schon zum Ende gekommen ist oder noch gar nicht angefangen hat. Nun wendet er mir sein Gesicht zu. Es ist krebsrot, er schwitzt. »Anne ...«, stammelt er.
    Nachdem er den verhängnisvollen Namen ausgesprochen hat, verstummt er. Mir wird klar, dass er ihren Namen gesagt hat, den Namen der ersten Anna. Er denkt an sie, an die Geliebte, die ihn in den Wahnsinn trieb und die er aus Eifersucht und Neid tötete.
    »Ich Anna von Kleve ... bin«, souffliere ich.
    »Das weiß ich«, sagt er barsch. »Närrin.«
    Mit einem mächtigen Ruck, der mir sämtliche Laken vom Leib fegt, wälzt er sich herum und kehrt mir den Rücken zu. Die Luft, die nun vom Bett aufsteigt, ist abgestanden und stinkt fürchterlich. Das ist der Geruch der Wunde an seinem Bein, es ist der Geruch eiternden Fleisches, es ist sein Geruch. Er wird meinen Laken auf ewig anhaften, bis dass der Tod uns scheidet, ich sollte mich also lieber daran gewöhnen.
    Ich liege vollkommen still. Ihm eine Hand auf die Schulter zu legen, wäre liederlich, und ich unterlasse es lieber, obwohl es mir leidtut, dass er heute Nacht von der anderen Anne verfolgt wird. Ich werde lernen müssen, den Gestank und das Gefühl des Erstickens zu ignorieren. Ich werde meine Pflicht tun.
    Ich liege im Dunkeln und blicke zu dem schweren Betthimmel auf. Im schwächer werdenden Licht der aufflackernden und erlöschenden Kerzen sehe ich das Glitzern von Goldfäden. Er ist ein alter Mann, ein armer alter Mann von achtundvierzig Jahren, und dieser Tag ist für uns beide lang und ermüdend gewesen. Ich höre ihn wieder seufzen, und dann geht das Seufzen in ein gurgelndes Schnarchen über. Als ich sicher bin, dass er eingeschlafen ist, lege ich ihm sanft eine Hand auf die Schulter, auf das verschwitzte Leinen seines Nachthemdes. Es tut mir leid, dass er heute Nacht versagt hat. Wenn er wach geblieben wäre und wenn wir die gleiche Sprache sprächen, dann hätte ich ihm gesagt, dass ich trotzdem hoffe, ihm eine gute Ehefrau und eine gute Königin von England zu sein. Dass ich ihn bedauere, weil er alt und müde ist, und dass wir zweifellos, wenn er sich stark genug fühlt, ein Kind zeugen können, den Sohn, den wir beide so sehr ersehnen. Armer, kranker, alter Mann, ich gäbe viel darum, wenn ich ihm sagen könnte, dass er sich keine Sorgen machen soll, dass sich alles zum Guten wenden wird. Ich muss keinen hübschen jungen Prinzen haben, ich werde freundlich zu ihm sein.

 
 
K ATHERINE , G REENWICH -P ALAST , 7. J ANUAR 1540
 
    Der König war schon fort, als wir am Morgen nach der Hochzeitsnacht das Gemach betraten. Deshalb habe ich es verpasst, den König von England an seinem Hochzeitsmorgen im Nachthemd zu sehen, und ich hatte es mir doch so gewünscht! Die Dienstmägde brachten ihr das Morgenbier und frisches Holz für den Kamin und Wasser zum Waschen, und wir warteten, bis sie uns hereinrief, damit wir ihr beim Ankleiden halfen. Sie saß aufrecht im Bett mit der Nachtmütze auf dem Kopf und einem sauber geflochtenen Zopf, der ihren Rücken hinabfiel, und jedes Härchen lag an seinem Platz. Sie wirkte überhaupt nicht wie ein Mädchen, in dessen Bett es die ganze Nacht rundgegangen ist! Sie sah noch genauso aus wie am Abend, als wir sie zu Bett brachten, ruhig und sanft wie eine Milchkuh. Sie war freundlich zu allen, bat um nichts Besonderes und klagte über nichts. Zufällig stand ich neben dem Bett, und in einem Moment, als niemand auf mich achtete, hob ich kurz die Decke hoch und spähte darunter.
    Und da war nichts. Gar nichts. Kein Schatten von irgendetwas. Da ich schon des Öfteren ein Laken zur Wasserpumpe getragen und ausgewaschen habe und dann auf dem feuchten Leinen schlafen musste, weiß ich, wann ein Bett zu mehr als zum Schlafen gedient hat. Aber nicht dieses Bett. Ich würde meinen guten Ruf darauf verwetten, dass der König sie nicht besessen hat und dass sie nicht blutete. Ich würde das Vermögen der Howards darauf verwetten, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher