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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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der nicht einmal im Lande lebt, sondern in Calais. Sie wurde von ihrer Stief-Großmutter großgezogen, wie mir Jane erzählte, also hat sie vielleicht niemanden gehabt, der ihr beibrachte, dass der König solch aufreizendes Benehmen nicht leiden kann. Heute mag dieses Kleid erlaubt sein, da es Teil des Tableaus ist, aber dass es so weit hinabgleitet und immer mehr von ihrem schlanken, weißen Rücken enthüllt, ist ein schlimmer Fehltritt, soviel ich weiß.
    Meine Ehrenjungfern tanzen in der Arena, dann knicksen sie und führen den König zu meiner Loge, damit er an meiner Seite Platz nimmt. Ich lächele und reiche ihm meine Hand. Es wirkt, als seien wir Teil des Schauspiels, und die Menge brüllt vor Vergnügen, als sie sieht, wie er mir die Hand küsst. Mein Part ist es, sehr süß zu lächeln und vor ihm zu knicksen und ihn zu seinem großen, massiven Sitz oberhalb von meinem zu führen. Lady Jane achtet darauf, dass er einen Pokal mit Wein bekommt und ein wenig Konfekt, und dann nickt sie mir zu, dass ich meinen Platz neben ihm einnehmen soll.
    Die Ehrenjungfern ziehen sich zurück, und ein halbes Dutzend Ritter in dunkler Rüstung und mit einer meerblauen Fahne stürmt in die Arena. Ich stelle mir vor, dass sie die Meeresflut oder Neptun oder so etwas darstellen sollen. Ich komme mir sehr unwissend vor, weil ich die Bedeutung all dieser Auftritte nicht verstehe, aber das spielt kaum eine Rolle, denn sobald die Ritter einmal um die Bahn geritten sind und die Herolde ihre Titel gerufen haben und die Menge in Jubel ausbricht, kann das Turnier beginnen.
    Die höhergestellten Zuschauer nehmen ihre Plätze auf den Tribünen ein, die armen Leute müssen sich dazwischen drängen. Bei jedem Halt, den ein Ritter vor meiner Loge einlegt, um mir seine Waffen zu präsentieren, brüllt die Menge vor Begeisterung; immer wieder erklingen Rufe: »Anna! Anna Kleve!« Ich erhebe mich und winke und lächele dankend. Ich weiß nicht, was ich getan habe, um solchen Beifall in der Öffentlichkeit zu verdienen, aber es ist wunderbar, dass das Volk von England mich mag. Auch der König erhebt sich. Er steht neben mir und nimmt vor aller Augen meine Hand.
    »Gut gemacht«, sagt er, dann verlässt er die Loge. Ich werfe Lady Rochford einen fragenden Blick zu. Doch sie schüttelt den Kopf. »Er wird mit den Rittern sprechen wollen«, erklärt sie. »Und natürlich mit den Mädchen. Bleibt hier.«
    Ich sehe nun, dass der König in seine eigene Loge getreten ist, die der meinen gegenüberliegt. Er winkt mir, und ich erwidere sein Winken. Er setzt sich, und ich setze mich Augenblicke später.
    »Ihr seid bereits beliebt«, sagt Lord Lisle leise auf Englisch, und ich verstehe ihn.
    »Warum?«
    Er lächelt. »Weil Ihr jung seid« - er wartet, bis ich verstanden habe - »weil sie wollen, dass Ihr einen Sohn zur Welt bringt. Weil Ihr hübsch seid, weil Ihr lächelt und ihnen freundlich zuwinkt. Sie wollen eine hübsche, glückliche Königin haben, die ihnen einen Prinzen schenkt.«
    Mit leichtem Achselzucken nehme ich die einfachen Anliegen dieser höchst komplizierten Menschen zur Kenntnis. Wenn sie nichts weiter wollen, als dass ich glücklich bin, sollte es nicht allzu schwer werden. Denn nie zuvor in meinem Leben bin ich so glücklich gewesen. Nie zuvor war ich so weit fort von der Missbilligung meiner Mutter und dem Groll meines Bruders. Nun habe ich einen Ort, an den ich gehöre, ich habe eigene Freunde. Ich bin die Königin eines mächtigen Landes, das vermutlich noch an Macht gewinnen wird. Mein Ehegemahl ist ein launenhafter Gebieter, das sehe ich durchaus, aber vielleicht vermag ich auch, in ihm eine Veränderung zu bewirken. Ich könnte seinem Hof Stabilität verleihen, vielleicht könnte ich sogar den König dazu bringen, mehr Geduld zu üben. Ich sehe mein Leben vor mir, ich sehe meine Rolle als Königin. Ich weiß, dass ich es vermag. Ich lächele Lord Lisle zu, der sich in den letzten Tagen von mir ferngehalten hat und nicht so nett wirkt wie früher.
    »Ich danke Euch«, sage ich. »Ich hoffe es.«
    Er nickt.
    »Ihr seid wohl?«, frage ich unbeholfen. »Glücklich?«
    Er schaut mich an, durch meine Frage überrascht. »Äh, ja. Ja, Euer Gnaden.«
    Ich suche nach dem geeigneten Wort. »Keine ... Probleme?«
    Einen Moment lang erkenne ich Furcht, die sich auf seinem Gesicht spiegelt. Er überlegt kurz, ob er sich mir anvertrauen soll. Doch dann besinnt er sich. »Keine Probleme, Euer Gnaden.«
    Ich sehe, wie sein Blick zur anderen

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