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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Recke. Ich stellte mich jedem Gegner, immer. Ich kämpfte in Verkleidung, damit man mich nicht schonte, und besiegte alle. Ich war der beste Recke in ganz England. Niemand konnte mich besiegen, ich kämpfte den ganzen Tag, ich zerbrach Dutzende von Lanzen. Verstehst du mich, du dumme Pute?«
    Immer noch erschüttert nicke ich, obwohl ich in Wahrheit kaum etwas verstehe, da er so schnell und zornig spricht. Ich versuche zu lächeln, aber mir zittern die Lippen.
    »Niemand konnte mich besiegen«, beharrt er. »Niemals. Ich war der stärkste Ritter Englands, ja vielleicht der ganzen Welt. Ich war unbesiegbar und konnte den ganzen Tag kämpfen und die ganze Nacht tanzen und am nächsten Morgen in aller Frühe auf die Jagd gehen. Ihr wisst nichts, gar nichts. Ob ich den Zweikampf liebe? Oh, du meine Güte! Ich war der größte aller Ritter! Ich war der Liebling der Menge, ich war die Zierde eines jeden Turniers! Niemand kam mir gleich! Ich war der größte Ritter seit den Zeiten der Tafelrunde! Ich war eine Legende.«
    »Niemand, der Euch sah, könnte das jemals vergessen«, beschwichtigt ihn Lady Lisle, die den Kopf wieder gehoben hat. »Ihr seid der beste Ritter, der jemals in den Ring trat. Bis jetzt habe ich noch niemanden gesehen, der Euch gleichkam. Es gibt niemanden, der Euch das Wasser reichen kann. Keiner der heutigen Kämpfer kann Euch das Wasser reichen.«
    »Hmm«, macht er, immer noch gereizt, und schweigt.
    Eine lange, unbehagliche Pause entsteht, und auch in der Arena ist niemand, der uns ablenken könnte. Alle warten darauf, dass ich meinem Ehemann etwas Nettes sage. Er sitzt stumm da und schaut finster auf das Gras zu unseren Füßen.
    »Ach, nun steht endlich auf!«, sagt er unvermittelt zu Lady Lisle. »Eure alten Knie werden rosten, wenn Ihr noch lange da unten bleibt.«
    »Ich habe Brief«, sage ich leise, um auf ein weniger strittiges Thema zu lenken.
    Er wendet sich mir zu. Er versucht zu lächeln, aber ich sehe, wie sehr ihn mein Akzent reizt, meine stockende Sprache, meine ganze Gestalt.
    »Ihr habt Brief«, wiederholt er, mich mitleidlos nachahmend.
    »Von Prinzessin Elisabeth«, fahre ich fort.
    »Lady«, korrigiert er mich. »Lady Elisabeth.«
    Ich zögere. »Lady Elisabeth«, sage ich gehorsam. Ich ziehe meinen kostbaren Brief aus der Tasche. »Darf sie kommen? Darf sie leben mit mir?«
    Er reißt mir den Brief aus der Hand, und ich muss mich bremsen, ihn nicht zurückzufordern. Ich will diesen Brief behalten. Es ist der erste Brief meiner kleinen Stieftochter. Mit gerunzelter Stirn müht er sich zu lesen, dann schnippt er mit den Fingern nach dem Pagen, der ihm seine Augengläser reicht. Er setzt sie auf und wendet das Gesicht zum Lesen von der Menge ab, damit das Volk nicht sieht, dass das Augenlicht seines Herrschers schwächer wird. Rasch überfliegt er den Brief, übergibt ihn dann zusammen mit seinen Gläsern dem Pagen.
    »Es mein Brief«, sage ich hastig.
    »Ich werde ihn für Euch beantworten.«
    »Kann sie kommen zu mir?«
    »Nein.«
    »Euer Gnaden, bitte?«
    »Nein.«
    Ich zögere, aber meine Widerborstigkeit, die sich unter der harten Fuchtel meines Bruders, der so ein verzogenes, launisches Kind wie dieser König ist, entwickelte, lässt mich nicht nachgeben.
    »So, warum nicht?«, verlange ich zu wissen. »Sie mir schreibt, sie mir bittet. Ich möchte sie sehen. So, warum nicht?«
    Mein Gemahl erhebt sich, lehnt sich an die Rückenlehne seines Throns und schaut auf mich herab. »Sie hatte eine Mutter, die Euch in jeder Beziehung so unähnlich war, dass sie nicht um Eure Gesellschaft ersuchen sollte«, sagt er unverblümt. »Wenn sie ihre Mutter gekannt hätte, würde es ihr nicht im Traum einfallen, Euch zu bitten. Und das werde ich ihr schreiben.« Dann stampft er die Stufen hinunter, verlässt meine Loge und geht durch die Arena zu seiner eigenen.

 
 
J ANE B OLEYN , W HITEHALL , F EBRUAR 1540
 
    Ich hatte die Aufforderung zur Besprechung mit meinem Gebieter, dem Herzog, bereits während der Turnierwoche erwartet, aber er schickte nicht nach mir. Vielleicht erinnert auch er sich zu gut an das Turnier am Maifeiertag, daran, wie sie ihr Taschentuch fallen ließ, und an das Gelächter ihrer Freunde. Vielleicht kann selbst er nicht die Trompeten hören, ohne an ihr angstbleiches Gesicht und ihre Verzweiflung an jenem heißen Maimorgen zu denken. Also wartet er, bis das Turnier vorbei ist und das Leben in Whitehall wieder in seinen normalen Bahnen verläuft, und bestellt mich

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