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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Seite der Arena gleitet, zur Loge des Königs. An dessen Seite steht Lord Thomas Cromwell und flüstert ihm etwas ins Ohr. Ich weiß, dass es an einem Hof stets Parteien gibt, dass die Gunst eines Herrschers kommt und geht. Vielleicht hat Lord Lisle den König in irgendeiner Weise verärgert.
    »Ich weiß, Ihr gut Freund zu mir«, sage ich.
    Er nickt. »Gott erhalte Euer Gnaden, was immer auch geschieht«, sagt er und tritt einen Schritt zurück, bezieht im Hintergrund meiner Loge Stellung.
    Ich sehe, wie der König sich erhebt und in seiner Loge nach vorn kommt, auf einen Pagen gestützt. Er streift seinen großen Stulpenhandschuh ab und hält ihn hoch über den Kopf. Die Menge verstummt, aller Augen sind auf ihn gerichtet, auf den mächtigsten aller Könige, der sich selbst zum Kaiser und Papst gemacht hat. Und dann, als alle den Atem anhalten, verneigt er sich in meine Richtung und winkt mit dem Handschuh. Die Menge brüllt vor Begeisterung. Nun ist es an mir, das Turnier zu eröffnen.
    Ich erhebe mich von meinem breiten Stuhl mit dem goldenen Baldachin darüber. Auf beiden Seiten meiner Loge blähen sich die Vorhänge in den Tudor-Farben Grün und Weiß, auf die meine Initialen und mein Wappen gestickt sind. Die alten Initialen der verflossenen Königinnen sind auf der Rückseite der Vorhänge verborgen. Würde man nur den heutigen Zustand betrachten, dann hat es niemals eine andere Königin gegeben als mich. Der Hof, das Volk, der König: Alle haben sich geschworen, meine Vorgängerinnen zu vergessen, und ich werde gewiss nicht den Fehler begehen, die Erinnerung an sie wachzuhalten. Dieses Turnier wird mir zu Ehren gegeben, als wäre ich Heinrichs erste Ehefrau.
    Ich hebe meine Hand. Alles wird still. Ich lasse meinen Handschuh fallen, und an beiden Enden der Turnierschranken geben Ritter ihren Pferden die Sporen, starten zu einem wilden Galopp. Sie donnern aufeinander zu, und der linke Reiter, Lord Richman, senkt seine Lanze ein wenig später und zielt besser. Mit einem Aufschlag, der an einen Axthieb in einen Baumstamm erinnert, trifft die Lanze seinen Gegner mitten auf den Brustpanzer. Der Mann schreit auf und wird rückwärts vom Pferd geschleudert. Lord Richman galoppiert bis zum Ende der Schranken, und sein Knappe hält das Pferd fest. Seine Lordschaft klappt sein dunkles Visier hoch und wirft einen Blick zurück auf seinen Gegner, der geschlagen im Sand liegt.
    Lady Lisle stößt einen leisen Schrei aus und springt auf.
    Zitternd kommt der junge Mann wieder auf die Beine.
    »Er ist verletzt?«, frage ich leise Lady Rochford.
    Sie strengt ihre Augen an. »Es könnte sein.« In ihrer Stimme schwingt Erregung mit. »Es ist ein gefährlicher Sport. Er kennt das Risiko.«
    »Gibt es hier ein ...« Ich weiß nicht, wie »Arzt« auf Englisch heißt.
    »Er kann ja gehen.« Sie zeigt auf den jungen Mann. »Er ist nicht verletzt.«
    Sie haben ihm den Helm abgenommen. Er ist so weiß wie ein Laken, der bedauernswerte junge Mann. Sein braunes, lockiges Haar ist verschwitzt und klebt an seinem blassen Gesicht.
    »Thomas Culpepper«, erklärt Lady Rochford. »Ein entfernter Verwandter von mir. So ein hübscher junger Mann.« Sie wirft mir ein schlaues Lächeln zu. »Lady Lisle hat ihm ihr Minnetuch gegeben. Bei den Frauen genießt er den Ruf eines verwegenen Hasardeurs.«
    Ich lächele auf den jungen Mann hinunter, der mit zitterigen Schritten auf meine Loge zuhumpelt und sich tief vor mir verneigt. Sein Knappe hält ihn am Ellenbogen und hilft ihm, wieder hochzukommen.
    »Armer Junge«, sage ich. »Armer Junge.«
    »Es ist mir eine Ehre, in Euren Diensten verwundet zu werden«, nuschelt er. Sein Gegner hat ihn am Mund verletzt. Er ist ein katastrophal hübscher junger Mann. Selbst ich, die von der strengsten aller Mütter erzogen wurde, verspüre plötzlich den Wunsch, ihn aus der Arena fortzubringen und ihn zu pflegen.
    »Mit Eurer gütigen Erlaubnis werde ich wieder für Euch antreten«, sagt er. »Vielleicht morgen, wenn ich aufsitzen kann.«
    »Ja, aber gebt auf Euch Acht«, mahne ich.
    Er schenkt mir ein höchst reuiges Lächeln, verneigt sich erneut und humpelt aus der Arena. Der Sieger des ersten Zweikampfes dreht in gemächlichem Galopp eine Siegesrunde und nimmt mit hochgereckter Lanze die Hochrufe der Leute entgegen, die auf ihn gewettet und gewonnen haben. Ich werfe einen Blick auf meine Hofdamen und sehe, dass Lady Lisle dem jungen Mann wie verzaubert hinterherstarrt, während Katherine Howard, die endlich

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