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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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einen Umhang über ihr Kostüm gebreitet hat, ihn aufmerksam betrachtet.
    »Genug«, befehle ich ihnen. Ich muss lernen, meine Hofdamen im Zaum zu halten. Sie müssen sich so sittsam benehmen, dass es auch vor den Augen meiner Mutter Gnade finden würde. Die Königin von England und ihre Hofdamen müssen über jeden Tadel erhaben sein. Es ziemt sich gewiss nicht, dass wir drei einem hübschen jungen Mann hinterherstarren. »Katherine, zieh sofort etwas an. Lady Lisle, wo ist Euer Mann, seine Lordschaft?«
    Beide nicken, Katherine huscht davon. Ich lehne mich auf meinem Thron zurück, während ein weiterer Recke und sein Herausforderer in den Ring reiten. Diesmal ist das Gedicht sehr lang und in Latein, und so berühre ich wieder das raschelnde Papier in meiner Tasche. Es ist ein Brief von Elisabeth, der sechsjährigen Prinzessin. Ich habe ihn so oft gelesen, dass ich ihn nun verstanden habe, ja sogar auswendig kenne. Sie verspricht, mich als Königin hoch zu achten und mir wie einer Mutter zu gehorchen. Ich könnte weinen, wenn ich daran denke, wie das liebe, kleine Ding solche feierlichen Sätze formuliert und dann so lange abschreiben muss, bis die Handschrift so gleichmäßig ist wie die eines Hofschreibers. Natürlich hofft sie, an den Hof kommen zu dürfen, und ich bin tatsächlich der Meinung, dass sie in meinen Haushalt aufgenommen werden sollte. In meinem Dienst sind junge Damen, die nur wenig älter sind, und es wäre schön, Elisabeth bei mir zu haben. Außerdem lebt sie nahezu isoliert in ihrem eigenen Haushalt mit Erzieherin und Kindermädchen. Sicher wäre es dem König lieber, wenn sie bei uns lebte, sodass ich ihre Erziehung beaufsichtigen kann?
    Eine Fanfare ertönt, und ich schaue auf: Die Reiter haben eine Reihe gebildet und salutieren dem König, der quer durch die Arena zu meiner Loge kommt. Rasch öffnen ihm die Pagen die Tür. Zwei junge Männer sind vonnöten, um ihn die Stufen hochzuhieven. Ich kenne ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ihn das vor den Augen so vieler Menschen rasend macht. Er fühlt sich gedemütigt, und sein erster Wunsch wird sein, die Demütigung weiterzureichen. Ich stehe auf und knickse zur Begrüßung - nie weiß ich, ob ich nun meine Hand reichen oder mich vorbeugen soll, damit er mich küssen kann. Doch heute, im Angesicht der mir wohlgesonnenen Menge zieht er mich zu sich heran und küsst mich auf den Mund, und die Menschen jubeln. Er ist clever: Immer tut er das Richtige, um das Volk zu erfreuen.
    Er setzt sich, und ich stehe neben ihm.
    »Culpepper hat es schwer erwischt«, sagt er.
    Ich verstehe ihn nicht so recht, also sage ich nichts dazu. Eine peinliche Pause entsteht, und jetzt muss ich etwas sagen. Ich muss scharf nachdenken, um etwas zu finden und die richtigen englischen Worte zu gebrauchen. Endlich habe ich etwas gefunden: »Ihr mögt kämpfen?«, frage ich.
    Er sieht mich so finster an, dass ich es mit der Angst zu tun bekomme. Seine Augenbrauen sind so stark zusammengezogen, dass sie fast seine zornigen kleinen Augen bedecken. Ich habe das absolut Falsche gesagt und ihn verärgert. Ich schnappe vor Angst nach Luft, ich weiß nicht, was daran denn so schlimm war.
    »Verzeiht, entschuldigt ...«, stammele ich.
    »Ich mag kämpfen?«, wiederholt er bitter. »In der Tat, ja, ich würde gern kämpfen, wenn ich mich nicht vor Schmerz krümmte wegen einer Wunde, die nicht heilen will, die mir jeden Tag meines Lebens vergiftet, die mich eines Tages umbringen wird. Wahrscheinlich schon in ein paar Monaten. Eine Wunde, die mir jeden Schritt zur Qual werden lässt, jedes lange Stehen und jeden Ritt, aber das kümmert keinen Menschen.«
    Lady Lisle eilt mir zu Hilfe. »Sire, Euer Gnaden, die Königin hat eigentlich gemeint, ob Ihr es mögt, den Kämpfen zuzuschauen«, sagt sie hastig. »Sie wollte Euch nicht erzürnen, Euer Gnaden. Sie lernt unsere Sprache bemerkenswert schnell, aber sie kann nicht umhin, kleinere Fehler zu machen.«
    »Sie kann nichts dagegen machen, stumpfsinnig zu sein wie ein Holzklotz!«, schreit er sie an. Von seinen gespitzten Lippen sprüht Speichel in Lady Lisles Gesicht, aber sie zuckt nicht mit der Wimper. Standhaft versinkt sie in einen Knicks und verharrt in dieser demütigen Haltung.
    Er schaut sie forschend an, erlöst sie jedoch nicht aus ihrer unbequemen Lage, sondern wendet sich mir zu. »Ich schaue gern zu, weil das alles ist, was mir geblieben ist«, sagt er bitter. »Ihr wisst es nicht, aber ich war einst der kühnste

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