Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
Unschuld oder ein Bestreiten seiner Schuld geben, denn nach dem neuen Gesetz sind verräterische Absichten oder Gedanken ein ebenso schweres Verbrechen wie die Tat selbst. König Heinrich hat dieses Gesetz gegen die Gedankenverbrechen seines Volkes erlassen, und sein Volk wagt nicht zu denken, dass er sich irren könnte. »Ich weiß nicht, wer so etwas Verruchtes tun sollte«, sage ich nachdrücklich. »Ich kann mir niemanden vorstellen.«
»Empfängt die Königin Anhänger Luthers?«
»Nein, nie.« Das entspricht der Wahrheit, sie achtet sehr darauf, sich gemäß englischer Gepflogenheiten zu verhalten: Sie folgt den Gottesdienstregeln Erzbischof Cranmers, als sei sie wie Jane Seymour geboren, um zu dienen.
»Empfängt sie zuweilen Papisten?«
Diese Frage erstaunt mich doch sehr. Immerhin stammt die Königin aus Kleve, der Hochburg der Reformation! Man hat ihr beigebracht, Papisten für Antichristen zu halten. »Natürlich nicht! Sie wurde als Protestantin geboren und erzogen, sie wurde von Protestanten erwählt und in unser Land gebracht, wie könnte sie da Umgang mit Papisten pflegen?«
»Ist sie mit Lady Lisle befreundet?«
Mein rascher Blick drückt mein Entsetzen nur zu deutlich aus.
»Wir müssen bereit sein, wir müssen vorbereitet sein. Unsere Feinde lauern überall«, warnt er.
»Der König selbst teilte Lady Lisle ihrem Haushalt zu, und ihre Tochter Anne Bassett ist einer seiner Lieblinge«, halte ich dagegen. »Ich wüsste von keinen Beweisen gegen Lady Lisle.« Weil es keine gibt und niemals welche geben wird.
»Oder mit Lady Southampton?«
»Lady Southampton?«, wiederhole ich ungläubig.
»Ja.«
»Ich weiß auch von keinen Beweisen gegen Lady Southampton«, sage ich.
Er nickt. Wir wissen beide nur zu gut, dass Beweise, besonders für Hexerei oder den bösen Blick, nicht schwer zu beschaffen sind. Zuerst verbreitet man ein Gerücht, dann wird der Betreffende angeklagt und mit einem Hagel von Lügen überschüttet, und am Ende stehen ein Schauprozess und ein Urteil. All dies wurde schon einmal aufgeführt, um den König von einer Frau zu befreien, derer er überdrüssig war, einer Frau, die aufs Schafott geschickt wurde, ohne dass ihre Familie einen Finger zu ihrer Rettung rührte.
Er nickt, und ich warte lange, ich warte in stummer Furcht. Ich denke, dass er mir befehlen könnte, Zeugnis abzulegen, das den Tod einer Unschuldigen bedeuten wird, und überlege, was ich dagegenhalten könnte, wenn er so etwas Furchtbares von mir verlangt. Ich hoffe, genug Mut aufzubringen, um ihm ein solches Ansinnen abzuschlagen, doch ich weiß, dass ich diesen Mut nicht habe. Er jedoch schweigt, und so mache ich einen Knicks und gehe auf die Tür zu - vielleicht wird er doch nicht mehr von mir verlangen.
»Er wird Beweise für Hochverrat finden«, sagt der Herzog, als meine Hand bereits auf der Messingklinke ruht. »Er wird Beweise gegen sie finden, wie Ihr sehr wohl wisst.«
Sogleich erstarre ich. »Gott sei ihr gnädig.«
»Er wird Beweise finden, dass ihm entweder die Papisten oder die Lutheraner eine Hexe in sein Gefolge geschickt haben, um ihm die Manneskraft zu nehmen.«
Ich versuche, jeden Ausdruck aus meinem Gesicht zu bannen. Panik ergreift mich bei seinen Worten, denn auch ich könnte in Gefahr geraten.
»Es ist besser für uns, wenn er der Meinung ist, die Lutheraner hätten den Verrat begangen«, mahnt er. »Und nicht unsere Partei.«
»Ja.«
»Wenn er nicht auf ihren Tod aus ist, kann er eine Scheidung erlangen aufgrund der Tatsache, dass sie durch einen früheren Kontrakt gebunden war. Wenn das nicht verschlägt, dann wird er eine Scheidung erlangen, weil er sie von Anfang an nicht begehrte und deshalb nicht in die Ehe gewilligt hat.«
»Er hat ›Ich will‹ vor Zeugen gesagt«, wispere ich. »Wir alle waren zugegen.«
»Innerlich hat er nicht eingewilligt«, sagt der Herzog.
»Oh.« Ich stutze. »Das sagt er jetzt?«
»Ja. Wenn sie aber leugnet, durch einen früheren Kontrakt gebunden zu sein, kann er immer noch darauf pochen, dass er die Ehe nicht vollziehen kann, weil die Hexerei seiner Feinde ihn daran hindert.«
»Der Papisten?«, frage ich.
»Papisten wie der Freund der Königin, Lord Lisle.«
Ich schnappe nach Luft. »Lord Lisle würde angeklagt werden?«
»Es könnte geschehen.«
»Und wer ist der Schuldige, wenn es eine Hexerei der Lutheraner sein sollte?«, flüstere ich.
»Ein Lutheraner wie Thomas Cromwell beispielsweise.«
Entsetzt starre ich ihn an. »Der ist
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