Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
leben? Aber wenn ich mir einen Mann auf der Welt zum Heiraten aussuchen dürfte, dann ihn. Nie habe ich ein frecheres Lächeln gesehen, und wenn er mich anschaut, habe ich das Gefühl, als würde er mich ausziehen und überall liebkosen.
Gott sei Dank bin ich nun eine der Hofdamen der Königin, und da sie eine so strenge und bescheidene Königin ist, wird so etwas nicht wieder vorkommen. Wenn Thomas allerdings in unseren Schlafsaal in Lambeth gekommen wäre, dann hätte ich ihn schon in mein Bett gelassen und ihm einen warmen Empfang bereitet. Meinen hübschen Francis hätte ich Joan Bulmer zurückgegeben, wenn ich damals schon die Möglichkeit gehabt hätte, einen Burschen wie Tom Culpepper zu bekommen.
Er ist nun wieder bei Hofe, nachdem er einige Zeit zu Hause verbringen musste, damit die Wunde heilt, die er beim Turnier davongetragen hat. Es war ein schlimmer Lanzenstoß, aber er sagt unbekümmert, dass er jung sei, und junge Knochen heilten rasch. Und es stimmt, er ist jung und springlebendig wie ein Hase. Man muss ihn nur anschauen, dann sieht man, wie die Freude durch seine Adern fließt. Er ist wie Quecksilber, er ist wie ein frischer Frühlingswind. Ich bin froh, dass er wieder am Hof ist, selbst in der öden Fastenzeit macht er unser Leben fröhlicher. Aber heute Morgen hat er mich eine Stunde im Garten der Königin warten lassen, als ich eigentlich in ihren Gemächern hätte Dienst tun müssen - und als er dann endlich kam, sagte er nur, er könne nicht bleiben, sondern müsse gleich wieder zum König.
So kann man mich nicht behandeln. Ich werde ihm noch eine Lektion erteilen. Ich werde nie wieder auf ihn warten, ich werde mich nicht einmal mehr mit ihm verabreden, wenn er das nächste Mal fragt. Er wird mehr als einmal darum bitten müssen, das schwöre ich. Ich werde in der ganzen Fastenzeit nicht mehr flirten, und das geschieht ihm nur recht! Vielleicht sollte ich überhaupt ernster werden und niemals im Leben wieder mit jemandem flirten ...
Lady Rochford fragt mich auf dem Weg zum Dinner, warum ich so aufgebracht sei, und ich versichere ihr, dass ich so fröhlich bin wie der Tag lang ist.
»Dann achte fein sorgsam darauf, dass du auch hübsch lächelst«, sagt sie mit einer Miene, als glaubte sie mir kein Wort. »Denn mein Gebieter, der Herzog, ist aus Frankreich zurück, und er wird dich gewiss aufmerksam betrachten.«
Sogleich hebe ich mein Kinn und schenke ihr ein strahlendes Lächeln, als hätte sie etwas sehr Witziges gesagt. Ich lache sogar leise, es ist mein höfisches Lachen, ein »Ha ha ha«, sehr leise und elegant, wie ich es bei den anderen Damen gehört habe. Sie nickt leicht. »Schon besser«, lobt sie.
»Was hat der Herzog überhaupt in Frankreich gemacht?«, frage ich.
»Interessieren dich weltgeschichtliche Angelegenheiten?«, fragt sie belustigt.
»Ich bin ja keine absolute Närrin«, gebe ich ihr zu verstehen.
»Dein Onkel ist ein mächtiger Mann, der derzeit beim König hoch in der Gunst steht. Er ist nach Frankreich gereist, um uns die Freundschaft des französischen Königs zu sichern, damit unser Land nicht Gefahr läuft, dass sich der Heilige Va ..., ich meine der Papst, der Kaiser und der König von Frankreich in einem Bündnis gegen uns vereinen.«
Ich muss schmunzeln, weil Jane Boleyn fast »Heiliger Vater« gesagt hätte, was wir nicht mehr sagen sollen. »Oh, das wusste ich schon«, sage ich schlau. »Denn die wollen Kardinal Pole auf unseren Thron setzen.«
Sie schüttelt mahnend den Kopf. »Sprich nicht davon«, warnt sie mich.
»Aber es stimmt«, beharre ich. »Und deshalb sitzen seine Mutter und alle Poles im Tower. Denn der Kardinal würde die Papisten Englands zusammenrufen, um gegen den König zu kämpfen, wie sie es ja schon einmal getan haben.«
»Sie werden sich nicht mehr gegen den König erheben«, sagt sie trocken.
»Weil sie wissen, dass sie Unrecht taten?«
»Weil die meisten von ihnen tot sind«, sagt sie kurz angebunden. »Und auch das hat dein Onkel bewirkt.«
A NNA , H AMPTON C OURT , M ÄRZ 1540
Mir wurde gesagt, dass der Hof die Fastenzeit peinlich genau einhalten würde. Auf keinen Fall würden wir rotes Fleisch zu uns nehmen. Nun erwartete ich, vierzig Tage lang Fisch essen zu müssen, merkte aber bald schon, bei der ersten Fastenmahlzeit, dass das englische Gewissen lässig ist. Der König hätschelt seine Bedürfnisse. Trotz des Fastengebots marschieren die Diener mit voll beladenen Tabletts in die Große Halle. Zuerst
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