Das Erbe Der Loge: Roman
Tage später passierten sie Kreta an Steuerbord und am nächsten Tag Zypern an Backbord. Am 20. Januar 1936 ankerte die Dra chenfels auf Reede vor Beirut.
Bei Einbruch der Dunkelheit versammelte sich die Gruppe im Laderaum um den Kapitän.
»Meine Herren, wir haben Ihr Ziel erreicht. Nur müssen wir den Ablauf etwas ändern. Wie Sie wissen, war es geplant, Sie in zwei Gruppen nach Beirut zu schleusen. Das geht nun nicht mehr, da die Engländer misstrauisch geworden sind. Sie werden heute Nacht gemeinsam von Bord gehen und weiter südlich an Land gesetzt. Machen Sie sich bitte bereit... und viel Glück.«
Niemand sprach mehr von da an. Jeder war mit sich selbst und seinen Gedanken beschäftigt.
Wenn es noch irgendwo einen versteckten Funken Hoffnung gegeben hatte, dass dies alles nicht wahr war, nicht wahr sein durfte, so wich dieser dem dumpfen Gefühl der Angst.
Es war Mitternacht vorbei, als ein Kutter an der landabgewandten Seite der total verdunkelten Drachenfels längsseits ging und drei schwarz gekleidete Männer an Bord kletterten.
Der Kapitän wechselte ein paar Worte mit ihnen und wies die Besatzung an, ein paar Dutzend Kisten an Tauen zu dem Kutter hinabzulassen.
»Das sind sicher Waffen«, flüsterte einer der Männer.
Aber niemand antwortete ihm.
Einer der schwarzen Männer bedeutete der Gruppe, ihm zu folgen.
»Wer ist hier der Anführer?«, flüsterte er auf Hebräisch.
Hauptmann Helmut Bauer alias Joshua Krodensky alias Mitinhaber einer Kölner Bank hob die Hand.
»Ab sofort herrscht Sprech- und Rauchverbot. Bitte, beeilen Sie sich.«
Der Mann schwang sich über die Reling und kletterte die Jakobsleiter hinunter.
Die Gruppe folgte ihm. Es war ein schwieriges Unterfangen für Männer, die keine Seeerfahrung hatten. Eine Hand krallte sich in die Sprossen der Leiter, die sich bei jeder Stufe unter dem Körper wegzudrehen drohte, die andere Hand hielt krampfhaft das einzige Gepäckstück, das man ihnen gelassen hatte. Einen kleinen Koffer mit dem Nötigsten.
Drei Stunden fuhren sie an der Küste nach Süden, wo man sie in der Nähe von Sidon an Land setzte.
Zwei LKWs brachten die Gruppe noch vor Morgengrauen in die Berge, wo sie ein paar Tage in einem Schuppen in den Olivenhainen blieben. Jeden zweiten Tag kam jemand und versorgte sie mit Lebensmitteln. Aber niemand sprach mit ihnen über ihr weiteres Schicksal. Nach zehn Tagen erschienen mehrere Männer, die die Gruppe in zwei Hälften aufteilten.
Die erste Gruppe setzte sich sofort in Marsch, um zu Fuß Haifa zu erreichen, wozu sie weitere zehn Tage benötigten.
Die andere Gruppe wandte sich nach Norden ...
»Was soll diese lange Geschichte«, murrte Kögel, der sich wieder zu langweilen begann und lautstark das Kaffeegebäck zwischen seinen Zähnen zermalmte. »Ich meine, dass uns das mit dem Kasten nicht weiterhilft.«
»O doch. Nur Geduld, verehrter Kommissar«, hob Dr. Bongartz beschwichtigend die Hand. »Es ist wichtig, dass man ein klein wenig ausholt, um zu verstehen, was es mit diesem Kasten auf sich hat und dass Martin garantiert nichts mit ihm zu tun haben konnte.«
Ich fand die Erzählung des Propstes spannend, da mir langsam dämmerte, was es mit den Soldbüchern auf sich hatte. »Bitte fahren Sie fort. Der Kommissar ist momentan etwas unter Zeitdruck. Aber ich nicht.«
Kögel verstand, dass ich das für ihn als Aufforderung zum Gehen gemeint hatte, und grinste.
Er blieb sitzen und knackte weiter Kekse.
»1936 war ein Jahr des Umbruchs in Europa«, fuhr der Propst mit seiner sonoren Stimme fort. »Dieser österreichische Gefreite ordnete in seinem Vierjahresplan die ›Wehrhaftmachung‹ des Reiches an. Mussolini schlägt die Aufstände in Abessinien nieder, und in Spanien schickt sich Franco an, das Volksfront-Regime militärisch in die Zange zu nehmen. In Palästina steckt die englische Mandatsregierung zwischen zwei Fronten. Sie haben sowohl den Juden Land versprochen, als auch den Arabern zugesichert, deren Land vor jüdischem Zugriff zu schützen.
Um sich nicht mit den aufständischen Arabern anlegen zu müssen, die sich gegen die Ausweitung der jüdischen Siedlungspolitik mit Gewalt wehren, steht man im Geheimen Pate bei der Gründung der Haganah, einer jüdischen Schutztruppe.
Beim nördlichen Nachbarn, dem Libanon, haben die Franzosen das Mandat und das gleiche Problem. Nur proben dort die Christen und Drusen den Aufstand gegen das laxe Vorgehen der Franzosen wider die türkische Oberschicht, die Land und
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