Das Erbe Der Loge: Roman
Mutter Sekunden vor ihrem Tod gesehen hatte.
Ich hatte mich plötzlich nicht mehr unter Kontrolle, sprang auf und schüttelte ihn.
»Senator!«, brüllte ich mit hysterischer Stimme, »... Senator! Nicht sterben! Was ist mit dem Geheimnis des Buches und der Karten?«
Zweimal holte ich aus und schlug ihm mit dem Handrücken auf die Wangen.
Aber er öffnete die Augen nicht mehr.
»Es sind ... Punkte ... Mikropunkte ... Tempel«, kam es lallend über die fast geschlossenen Lippen, dann sank sein Kopf auf die Brust.
Vergeblich versuchte ich noch eine Regung, ein leises Pochen der Halsschlagader zu fühlen. Da war nichts mehr.
Der Senator war tot.
Leise, als könnte vielleicht doch noch Leben in ihm sein, als könnte er nur eingeschlafen sein, tastete ich mich rückwärts auf das Sofa. Ohne durch ein Geräusch die Ruhe zu stören, schenkte ich mir lautlos noch ein Glas ein und prostete ihm zu.
»Cheers, alter Mann. Was hast du für ein Leben hinter dir! Grüße deine alten Kameraden. Wir sehen uns bestimmt wieder.«
Es dauerte noch ein weiteres Glas, bis meine Sinne wieder funktionierten.
Hier stimmte etwas nicht.
Der Senator hatte unser Gespräch auf eine längere Zeit angesetzt, sonst hätte er das eigentliche Geheimnis der Umlaut-Punkte nicht erst in letzter Sekunde preisgegeben.
Die Schwester hatte ihm eine für ihn unkalkulierbar hohe Dosis injiziert. Als er das bemerkte, war es zu spät.
Was sollte, was konnte ich jetzt tun? Mein Gehirn arbeitete fieberhaft.
»Tempel«, hatte ich als letztes Wort verstanden. Aber welcher?
Ziellos durchsuchte ich das Appartment, das mit jeder Tür, die ich öffnete, größer wurde. Jeder Raum glich einem Museum, in dem die ausgefallensten Kunstwerke jedes Kontinents zusammengetragen worden waren.
Die Schwester hatte gesagt, dass der Senator etwas für mich vorbereitet hatte. Aber was? Wie konnte das aussehen, wie war es verpackt?
Diese Wohnung nahm kein Ende und schien sich über den gesamten Dachbereich des Schlosses hinzuziehen. Nach einer halben Stunde wusste ich nicht mehr, wo ich hereingekommen war. Zimmer reihte sich an Zimmer.
Was machte ein todkranker Mann alleine mit solch einem Palast unter dem Dach? Selbst der reichste Patient, auch wenn er es sich leisten konnte, würde doch lieber in seiner heimischen, überschaubaren Villa bleiben und sich pflegen lassen, als sich freiwillig noch mehr unnützen Raum anzumieten.
Ich wollte es gerade aufgeben, als mir ein unscheinbar kleines, in Gold gehaltenes Dreieck an einer Türfüllung ins Auge sprang.
Das Türschloss war durch einen Kartenleser gesichert, wie es heute in Hotels modern war.
Trotzdem drückte ich die Klinke, wie Gelegenheitsdiebe an jedem Türgriff parkender Autos prüften, ob nicht doch ein unverschlossenes dabei war.
Sie gab nach, und die Tür ließ sich öffnen.
Der Raum dahinter war dunkel und schien fensterlos zu sein. Kühlere Luft als in den bisher von mir begutachteten Räume empfing mich, als sei dieser Raum klimatisiert.
Ich öffnete die Tür ganz, und eine indirekte Beleuchtung sprang an, die wie ein nächtliches Leitlicht in Hotelgängen, etwa eine Handbreit über dem Boden angebracht war.
Im Halbdunkel erkannte ich einen großen Konferenztisch und zählte zweiunddreißig Stühle mit hohen, senkrechten Lehnen.
Links neben der Tür ertastete ich einen Lichtschalter. Abgeschirmte Neonröhren flackerten rundum an der Decke auf und tauchten den etwa zehn mal sieben Meter messenden Raum in eine angenehme indirekte Beleuchtung.
An der rückwärtigen Wand flankierten zwei mannshohe, silberne siebenarmige Menora eine Art Altar, auf dem sich ein fein geschnitzter Kasten aus Ebenholz in die Höhe reckte. Die Seitenwände waren mit Fotos, gerahmten Dokumenten und Urkunden behängt, die allesamt aus einer Zeit vor meiner Geburt stammten.
»Tempel« hatte der Senator das genannt. Mir kam der Raum eher wie ein Mausoleum vor, das stumm über die Vergangenheit und seine Erinnerungen wachte.
Vielleicht war es einmal als Gebetsraum benutzt worden, vielleicht war es auch nur ein Gedenkraum an die Loge der Chesed.
Genau in der Mitte des Konferenztisches ausgerichtet, verdeckte ein weißes, mit dem goldenen Dreieck gewirktes Tuch etwas Kastenförmiges.
Die Tischplatte wies keine Staubspuren auf, stellte ich beiläufig fest. Demnach konnte dieses verdeckte Gebilde noch nicht lange dort stehen.
Vorsichtig zupfte ich an dem Tuch. Es bot keinen Widerstand und glitt herunter, als habe es
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