Das Erbe Der Loge: Roman
kein Auto mehr leisten«, meinte Susanne, als sie mich vor Odilos Büro ablieferte, und drückte dabei unauffällig, aber fest meine Hand.
»Möchte bloß mal wissen, was ich noch studieren soll, um die Frauen zu verstehen«, empfing mich der Graf.
»Verstehe kein Wort«, ließ ich mich voller Spannung in den Besuchersessel fallen, »was geht dich das überhaupt an?«
Er putzte akribisch seine Brille.
»Ihr kennt euch erst zwei Stunden und schon seid ihr beim ›Du‹. Ich bin hier der Leiter der Grundlagenforschung, und du bist schon immer ein Hurenbock gewesen. Da werde ich mir ein paar Gedanken machen dürfen. Aber nun zum Thema ...«
Er breitete eine Reihe Papiere vor sich aus, rieb sich die Nasenwurzel und suchte meinen Augenkontakt.
»Hör mir genau zu. Verinnerliche dir, was ich jetzt sage, oder schreibe es von mir aus mit. Aber merke dir: Sollte ich oder die Bayer-Werke jemals erwähnt werden, dann schicke ich dir drei Dutzend Pförtner auf den Hals. Verstanden?«
Ich nickte in Erwartung seiner Analyse, fragte mich aber, woher er meine Aversion gegen die Berufsgruppe der Aufpasser kennen konnte. Sollte es möglich sein, dass sich die unteren Chargen in einem Konzern noch bei einem Chef über einen unangepassten Besucher beschweren konnten?
»Damit ich dich nicht mit unverständlichem Fachjargon langweile und du womöglich eine falsche Interpretation schreibst, fasse ich unsere Analysen wie folgt zusammen ...«
Nun sprach der Wissenschaftler, der es schon in der Schule perfekt verstanden hatte, mir die kompliziertesten mathematischen Formeln so zu erklären, dass ich in der Lage war, die Klassenarbeiten leidlich zu Ende zu bringen. Dafür stand ich ihm, dem körperlich Unterlegenen, gewissermaßen als Leibwächter die ganze Zeit zur Seite.
»Der Kasten ist unwiederbringlich kontaminiert und damit für niemand mehr zugänglich.
Das schwarze Buch aus dem Kasten ist ebenfalls Atommüll und auch in der Entsorgung.
Alles, was wir feststellen konnten, ist, dass die Punkte über den Schriftzeichen zum Teil Mikrofilme waren, die aber keinerlei Informationen mehr enthielten.
Wir stellten weiterhin anhand eines vergleichbaren Buches fest, das du uns zur Verfügung gestellt hast, dass das Buch aus dem Kasten niemals aus dem Jahr seiner Drucklegung stammen kann.«
Er sah, dass ich Luft holte, und winkte ab.
»Halt die Klappe. Fragen kannst du nachher noch. Das Buch aus dem Kasten ist vermutlich zeitgleich mit den Mikrofilmen entstanden, die in dieser Form erst ab zirka 1950 einsatzbereit waren und womöglich aus der Produktion eines unserer damaligen Unternehmen stammen, die diese Art der Verschlüsselung 1944 entwickelten, aber während des Krieges aus Materialmangel nicht mehr produzieren konnten.
Dein Vergleichsbuch hat keinerlei Mikropunkte und dürfte wirklich aus dem Jahr 1935 stammen.«
Nun holte er tief Luft und bestellte Kaffee über die Sprechanlage.
Zum Zeichen, dass nicht gesprochen werden durfte, während Susanne das Gewünschte brachte, legte er den Zeigefinger auf die Lippen und wartete, bis sie lächelnd das Zimmer verlassen hatte.
»Dann haben wir uns den Kartensatz vorgenommen. Er ist ein kompletter Kartensatz des Tarot. Bestehend aus 22 Trümpfen, 16 Hofkarten und 40 Zahlkarten. Zusammen also 78 Karten. Diese sind zwar auch kontaminiert, aber komischerweise nicht in dem Maß wie das Buch. Wieso nicht? Weil sie in einem lederbezogenen Bleietui steckten. Das hat die Strahlung zumindest zum Teil, wenn auch nicht ganz abhalten können; jedenfalls haben wir auf ein paar Karten noch etwas entdeckt...«
Mit gespreizten Fingern drehte er eines der vor ihm liegenden Papiere zu mir.
»Wir müssen davon ausgehen, dass die Tarotkarten der eigentliche Informationsträger waren. Kannst du das lesen?«
Ich beugte mich vor und versuchte etwas zu entziffern. Es war die Kopie einer Vergrößerung eines Schwarz-Weiß-Negativs und schien mathematische Formeln zu enthalten.
»Ich kann es lesen. Ja, und?«
Odilo lächelte und drehte das Blatt wieder zu sich.
»Versuche es nicht zu verstehen. Ich begreife es auch nicht und musste mit meinem alten Freund Professor Schünnemann Rücksprache halten. Er ist beim CERN Leiter der Forschung. Nun zu den anderen Details ...«
Er drehte mir mit der gleichen lasziven Fingerhaltung fünf weitere Bögen hin, die ähnliche Vergrößerungen darstellten.
»Versuch auch das nicht zu verstehen.« Er lehnte sich zurück und schmunzelte über mein Bemühen, bei den
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