Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
Vom Netzwerk:
Schlaf. Sein Rücken schmerzte, und die Luft, die er atmete, schmeckte abgestanden. Seltsam schwer war sein Kopf und zähflüssig sein Blut. Er versuchte an Brynja zu denken, um sich aufzumuntern, aber es brachte keine Leichtigkeit in seine Gedanken.
    Das Sonnenlicht fiel fahl in sein Gemach, wie gefiltert und von allen Farben befreit. Als er die rechte Hand hob,
um sich am Kopf zu kratzen, schien das brüchige Laken zwischen den Fingern zu zerfallen.
    Etwas bewegte sich an seiner Hüfte, kleines Trappeln kratzte an seinem Bein. Sigfinn sah genauer hin.
    Es war eine Ratte, die fett und gemächlich über das Bett lief. Sigfinn schrie auf, mehr überrascht denn erschrocken. Es gab nicht viele Ratten auf Island, und in der Burg fühlten sie sich nicht wohl. Er packte das schmutzige Tier und warf es mit einer schnellen Bewegung aus dem Fenster.
    Nun war er wach. Klar im Kopf.
    Er setzte sich auf und spürte unter seinen Füßen Dreck und Steine. Ein ungewohntes Gefühl, fegten Bedienstete seinen Raum doch beinahe täglich aus. Ein klebriger Hauch legte sich auf sein Gesicht, und als er mit der Hand über seine Wange fuhr, war sie voller Spinnweben.
    Sigfinn blickte sich um. Das war nicht sein Zimmer.
    Oder doch - es war sein Zimmer, aber nicht so, wie er es am letzten Abend betreten hatte. Das aufwendig geschnitzte Bett, in dem er schlief, war kaum mehr als eine Pritsche und an der Seite auseinandergebrochen. Kein Stuhl war mehr da, kein Fell auf dem Boden, und von den vielen Kerzen war nur noch ein Stumpen übrig, der grotesk verschmolzen in der Ecke lag.
    Und überall - Spinnweben. Staub.
    Angst packte den Prinzen - und Verwirrung. Welches Spiel wurde hier gespielt? Er stand auf und ging zum Fenster, um nach dem Hofstaat zu sehen.
    Da war niemand.
    Der Vorplatz der mächtigen Burg lag brach, und weit und breit war kein Isländer zu sehen. Zwei, drei Boote dümpelten am Kai, doch sie waren vermodert, von der Zeit zerfressen und mit Wasser vollgesogen.

    Totenstille.
    Sigfinn wurde schwindelig, er musste sich an der Wand abstützen. Farben kreisten vor seinen Augen, intensiver und lebendiger als das leblose Grau, das er um sich sah.
    Es war ein Traum! Es musste ein Traum sein! Er hieb mit der Faust gegen die Mauer, dass Blut aus seinen Knöcheln rann. Doch es weckte den Prinzen nicht auf, rettete ihn nicht aus diesem erbärmlichen Trugbild.
    Sigfinn zog sich an und verschnürte die Stiefel, während er vergebens nach der Wache rief, die auf Geheiß des Königs zu jeder Zeit vor seiner Tür zu warten hatte.
    Vielleicht war das alles nur ein übler Scherz, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, von wem. Vielleicht hatte man sein Zimmer in der Nacht so hergerichtet, um ihm einen Schrecken einzujagen.
    Diese Hoffnung zerstob, als er den Gang vor seinem Gemach betrat. Auch hier regierten Spinnweben und Dreck, in dem allerlei Kleingetier sich wohlig umtrieb. Von den Fackeln in den eisernen Ringen an der Wand waren nur staubige Reste übrig, und die Luft roch nicht mehr schal, sondern bitter und faulig. Sigfinn ärgerte sich, keine Waffe zur Hand zu haben - andererseits: gegen wen sollte er sie richten? Dass er nicht träumte, dessen war er sich mittlerweile sicher. So blieb ihm nur zu hoffen, dass er im Fieberwahn darniederlag, während der Heiler sich um ihn kümmerte und die Eltern besorgt an seiner Seite waren.
    Seine Schritte führten ihn zum Thronsaal, wo sein Vater um diese Zeit schon den Geschäften des Reiches nachging, umgeben von Beratern und Bittstellern. Das morsche Knirschen der auch hier unbewachten Tür ließ Sigfinn ahnen, dass sein Hoffen auf Gesellschaft unerfüllt bleiben würde.
    Der Thronsaal war leer, die mannshohe Feuerstelle verrußt,
und was an Mobiliar noch vorhanden war, lag umgeworfen und zerbrochen da.
    »Heda?« Sigfinns brüchige Stimme hallte durch den Saal, laut und kalt. Keine warmen Wandteppiche schluckten den Ton.
    Ein irrwitziger Gedanke schoss ihm durch den Kopf - hatte er viel länger geschlafen als sonst? Ein Jahr, zehn Jahre, einhundert? War die Zeit an ihm vorbeigerannt in Windeseile, während er sich auf dem Lager wälzte?
    Unsinn! Man hätte sich um ihn gekümmert - nie im Leben wäre die Burg aufgegeben worden, mit einem ohnmächtigen Prinzen auf seiner Schlafstatt.
    Aber diese Welt hier - so bekannt und doch so fremd. Sie war kalt, grau und tot. Das Einzige, was Sigfinn wärmte, war das Amulett auf seiner Brust, der Kopf des Drachen. Er schien sich an ihn zu schmiegen, als

Weitere Kostenlose Bücher