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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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an.«

    Kari nickte. »Weil du in eine Welt geboren wurdest, die keine Helden mehr braucht. Der neue Glaube hat den Kontinent vereint und die Wachsamkeit der Völker geschwächt. Doch etwas kommt. Etwas, vor dem niemand gewappnet ist. Es wurde mir prophezeit.«
    Der Prinz gab nicht viel auf die Geschichten, obgleich ihm der Gedanke schmeichelte, von einem Helden abzustammen. Er war müde und verwirrt und suchte mehr nach seinem Laken als nach klugen Antworten. »Dann werde ich das Amulett zum Schutze tragen - und zum Dank.«
    »Doch so, dass es dein Vater nicht bemerkt«, bat Kari noch.
    Sigfinn nickte. »Es sei dir versprochen.«
    Die Königin machte sich auf, dem Prinzen wenigstens den frühen Morgen zur Ruhe zu lassen. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Du glaubst mir nicht, Sigfinn. Ich kann es sehen. Du bist erzogen, das Vergangene zu verdrängen, es als Altweiberklatsch zu schmähen. Und ich gönne es dir - im guten christlichen Glauben bist du erzogen worden. Aber höre dieses eine Mal auf mich, und sei es nur, weil es der Respekt dir gebietet: trage das Amulett deiner Vorväter. Für mich.«
    Damit verließ sie den Raum, und Sigfinn blieb noch verwirrter zurück, als er es schon gewesen war. Im Licht des Morgens schaute er immer wieder auf den Drachen-Anhänger, dachte abwechselnd an die Legenden und an Brynja. Der Hofstaat war schon fleißig beim Tagewerk, als der Prinz in einen unruhigen Schlaf fiel, bevölkert von heißen, nackten Leibern, deren Schreie Lust wie Schmerz verkünden mochten …

    Die Seherin stand auf dem höchsten Punkt des Felsringes, der den Hafen von Island schützte, direkt an der Öffnung zum Meer. Ein Wurzelstock half ihr, die alten schwachen Beine zu entlasten. Aus ausgebrannten Höhlen blickten keine Augen mehr zur Burg, und dennoch wusste sie, was dort geschah. Wie weiche Wellen überspülten die Gefühle sie. Leidenschaft, Furcht, Wagemut. Es war eine Mischung, die ihr nur zu gut bekannt war, in der sie lange selbst gebadet hatte.
    »Es wird ein neuer Anfang sein, wo niemals ein Ende war«, flüsterte sie, und die Raben, die sich um sie herum auf dem Fels gesammelt hatten, krähten Zustimmung.
    Plötzlich zuckte sie, krampfte die knochigen Hände um den Stock, und ein unsichtbarer Sturm zerrte an ihrer Kutte und dem stumpfen schwarzen Haar.
    Duuu bissst hiiier …, flüsterte der Wind. Duuu bissst hiiier … nicht willkommen.
    Sie hatte sich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis die Nibelungen sie wahrnahmen, bis ihre Anwesenheit nicht mehr zu verheimlichen war. »Es ist nicht euer Ort, und es ist schon lange nicht mehr eure Zeit«, knurrte sie mürrisch, während sie versuchte, keine Furcht zu zeigen. »Warum geht ihr nicht in euren Wald zurück und sterbt mit den letzten Erinnerungen der Menschen an euch?«
    Esss wird wiiieder unsere Zeeeit …, zischelten die unsichtbaren Wesen. Und wiiieder unser Oooort …
    »Ihr habt den Kampf so oft verloren - waren die Demütigungen der letzten tausend Jahre nicht genug?«
    Das Stimmengewirr der Nibelungen wurde so intensiv, dass der Fels unter den Füßen der Seherin sachte zu vibrieren begann. Die Raben flogen auf.
    Verraaat! Verraaat! Am Spiiiel und am Schicksaaal!, schrien
die Nibelungen. Uuuns gehört der Siiieg! Uuuns gehört die Maaacht!
    Es waren immer die gleichen Reden, immer die gleiche Gier - und immer wieder der Anspruch auf längst vergangene Macht.
    »Ich weiß von eurem Plan«, sagte die Seherin. »Und er wird scheitern. Wie alle Pläne davor.«
    Schlagartig waren die Nibelungen still. Die Natur hielt den Atem an. Keine Geräusche, kein Hauch oder Glitzern auf den gefrorenen Wellen.
    »Ihr wähnt die Götter auf eurer Seite«, fuhr die alte Frau fort. »Doch sie weiden sich an eurem Scheitern nicht weniger als an dem der Menschen.«
    Lüge! Lüge!!! LÜGEEE!!!, schrien tausend Stimmen auf einmal, kreischten wild durcheinander und wurden schließlich leiser. Übers Meer rauschten sie davon, in ihre Heimat im Wald und am Fluss.
    In der Ferne heulte ein Wolf.
    »Ich weiß«, flüsterte die Seherin und setzte sich erschöpft.
    Sie hatte wirklich gelogen. Vom Plan der Nibelungen besaß sie nur eine vage Ahnung, ein düsteres Gefühl. Und sie war auch nicht sicher, ob Sigfinn das Blut besaß, ihnen zu widerstehen. Aber es musste versucht werden. Denn es ging nicht nur um das Wohl der Reiche.
    Das Wohl der Zeit stand auf dem Spiel …

3
    Die Reise in die Nacht

    Sie waren zur schroffen Felsenküste im Osten

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